Rezension zur Hörfunkdokumentation "Vogelschießen" aus der OTZ vom 20. August 2004

Rudolstadt (OTZ/KorrJ. "Du musst da hinfahren", sagt die Stimme, und sie verweilt bei jedem Wort ein bisschen länger, als es nötig wäre. Das zweite erhält besonderen Nachdruck. Es ist die Stimme der Wahrsagerin Medusa. Sie gehört zu den Protagonisten, mit denen der Rudolstädter Schriftsteller Matthias Biskupek für seine Hörfunkdokumentation "Vogelschießen" gesprochen hat, einem guten Dutzend. Das Feature mit dem Untertitel "Ein Thüringer Volksfest und seine Geschichten" wird am morgigen Sonnabend um 9.05 Uhr im MDR Figaro gesendet.
Viele von Biskupeks Gesprächspartnern sind mit Rudolstadt verbunden, so wie der Jugendpfleger Jens Daniel. Und wie dieser schwelgen sie, auf den Rummel angesprochen, hörbar lächelnd in Erinnerungen. Der Ur-Rudolstädter Heinz Anding zum Beispiel kennt das Vogelschießen noch als Jahrmarkt, auf dem Klamotten und Einweckgläser angeboten wurden, und nicht zu vergessen preiswerte Wachstuchdecken, ohne die ein DDR-Tisch nur ganz schwer auskam.
Es gab auch Zeiten, da war das Schießen auf den gefiederten "Bobbvoochel" ungefährdeter Mittelpunkt des Festes. Der Pappvogel ist eigentlich aus Holz, und jährlich setzen auch heute noch über 60 Besucher die historische Armbrust an, um Schützenkönig zu werden.
Große Wahrheiten werden in Biskupeks Feature gelassen ausgesprochen: "Die Kinder müssen zum Vogelschießen auch 'n bisssel Geld haben." Recht hat er. der Jens Daniel. Manch einer, inzwischen längst ausgewachsen, bekommt von der Mutter bis heut' Geld zugesteckt: für'n Rummel. Matthias Biskupek ist mit seinen: Feature eine anschauliche Radiodokumentation gelungen, die sich erwartungsgemäß nicht in Superlativen verliert, sondern ein wenig auch auf nostalgische Weise ein Gesicht des Rudolstädter Volksfestes zu zeichnen versucht. Nicht umsonst wird die Existenz von Kosmosraketen und Vehikeln betont, die es hier noch gibt: "Das ist ein Rummel", kommentiert die wunderbare Stimme von Sprecher Martin Seifert. Wunderbar anzuhören sind auch die Originaltöne der Besucher. Dem Namen mancher Attraktion verleihen sie mit ihrem Dialekt einen vertrauten Klang: Am "Autoschkoter" wurde demnach früher Westmusik gehört und geflirtet. Allzu viel hat sich offenbar nicht verändert. (Sabine Krätzschmar)