Berufsbild: Patriot


Franfurter Rundschau / Spalter
Berufsbild: Patriot
Von Matthias Biskupek

Auch ich habe mir für dieses Jahr etwas vorgenommen: Ich will mich zum Patrioten qualifizieren. In den wunderbaren Tages des vergangenen Sommers stand ich oft abseits in all dem Jubel. Wer bin ich? sprach ich zu mir. Wo bleibt denn das zwei zu null? fragte ich mich leis. Hautse, hautse, immer auf die Schnauze! murmelte ich in meinen zauselnden Bart. Doch will ich nicht endlich offen und frei leben? Der Weg zum Patriot ist das Ziel.
Für Menschen, die wie ich in der Unrechtsrepublik aufwachsen mussten, wäre früher alles klar gewesen. Ich hätte das Abitur abgelegt und zugleich den Beruf eines "Facharbeiters für die Patriotische Front" erlernt. Anschließend hätte ich meinen Ehrendienst in der Nationalen Volksarmee geleistet und den Feind durch patriotisches "Stillgestanden!" bekämpft. Dann hätte ich Patriotismus studiert. Erstes Studienjahr: Der Patriotismus und Marx. Zweites: Patriotismus und Engels. Drittes: Patriotismus und Lenin. Viertes: Der Patriotismus und die unverbrüchliche Treue zum Zentralkomitee der Solistischen Einheizpartei Dtschlnds. Im fünften Studienjahr hätte ich meine Diplomarbeit geschrieben: "Zu einigen Aspekten patriotischer Synergieeffekte unter Berücksichtigung der Erweiterten Oberschulen." Und schon hätte ich als Dipl.-pat. in ein erfülltes Berufsleben starten können. Heute ist’s schwieriger. Ich muss mich zunächst mit meinem Verhältnis zur Heimat auseinandersetzen. Was ist das Beste an meiner Heimat? Fragte man früher einen Engländer, was das Beste an London sei, antwortete er: The best of? That’s McDonalds! Ein Spanier hätte auf die Frage nach dem Besten an Madrid geantwortet: Buena prima vista - Makkdonnalds! Ein Sachse hingegen, nach Leipzig befragt, hätte geantwortet: In Leibzsch gibbds nischd Besdes! Jetzt gibt es überall in meinem Vaterland Bestes. Drum folgt als Aufbaustudiengang das vollständige Erlernen unserer patriotischen Hymne. Hier die entscheidende zweite Strophe, für ähnlich Zurückgebliebene wie mich:

"Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang."

Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich mein Frischgelerntes den GleichstellungsbeauftragtInnen verklickere: Deutsche StaatsbürgerschaftsinhaberInnen mit weiblichem und/oder männlichem Hintergrund? Deutsche alkoholfreie Getränke mit/ohne Dosenpfand? Deutsche Richtlinien (föderal) für musikalische Formatradios? Es wird schwer, alles politisch korrekt gereimt in die zweite Strophe hineinzukriegen.
Aber im dritten Hauptpunkt patriotischen Verhaltens sehe ich mich auf einem guten Wege, zurück in die Weltgemeinschaft. In Japan werden unsere westlichen Werte derzeit immer besser vollstreckt. Die gute, saubere Todesstrafe wird wieder praktiziert. China ist schon lange Vorbild, die USA ohnehin und endlich ist auch Irak wieder in die Welt-Wertegemeinschaft zurückgekehrt und richtet nicht mehr willkürlich hin, sondern zieht mit am gemeinsamen Strang. Auch die Umfragewerte in Deutschland zeigen: Wir haben wieder das Herz auf dem rechten Fleck und neigen zu klaren Wahrheiten. Hinrichtung ja, aber nur, wenn’s der Wahrheitsfindung dient. Ein Patriot steht immer & überall auf dem Boden der Falltür zur Todesstrafe. Als Patriot muss man unangenehmen Wahrheiten aufrecht ins gebrochene Auge blicken. Mit Bush & Bibel heißt drum unser Slogan: Auge um Auge, Zahnarzt um Zahnarzt.