Sie war 55 Jahre lang die „Kino-Eule“
Briefe und Anekdoten aus dem Nachlass von Renate Holland-Moritz

Aus jot w.d. Die Andere aus Marzahn-Hellersdorf. Nr. 12. 201

„Du mit Deiner frechen Schnauze“ titeln die beiden Herausgeber Reinhold Andert und Matthias Biskupek ihr jüngst erschienenes Buch über die „am längsten aktiv gewesene Kinokritikerin der Welt“. Ende Oktober war jot w.d. bei der Buchpremiere im Münzenbergsaal am Franz-Mehring-Platz dabei, als beide Autoren das im Quintus Verlag erschienene Werk vorstellten und einiges daraus lasen.
An ihrem 80. Geburtstag 2015 hatte die Filmkritikerin ihre letzte monatliche Kino- Kolumne im „Eulenspiegel“ veröffentlicht – mit der Aufforderung an die Leser, künftig „auf eigene Gefahr“ ins Kino zu gehen.
Renate Holland-Moritz (1935- 2017) war als Filmkritikerin eine Legende – gefürchtet von Freund und Feind, denn als Kritikerin war sie unbestechlich. Überliefert ist, dass die begeisterte Sammlerin von Eulen selbst dem Charme von Dean Reed widerstand, der ihr ein solches Exemplar schenkte, in der Hoffnung, dass die Kritikerinseinen Film „Sing, Cowboy, sing“ wohlwollend rezensieren würde. Was sie aber nicht hat, denn sie fand den Film grottenschlecht.
Mit dem Liedermacher und Autor Andert, ihrem Nachbar aus der Leipziger Straße, und dem Thüringer Schriftsteller und Publizist Biskupek war Renate seit langem eng befreundet. Ihrer Boygroup, wie sie beide scherzhaft nannte, vertraute die Filmkritikerin kurz vor ihrem Tod drei Hefter mit Briefen an, die sie über die Jahrzehnte von Freunden, Verehrer, Kritikern und echten Feinden bekommen hatte – ein Who‘sWho des Films, der Literatur, der Unterhaltungsbranche der DDR, mit Namen wie Hermann Beyer, Peter Ensikat, Helga Hahnemann, Erich Loest, Rolf Ludwig, Lothar Kusche, Dieter Mann, Gisela May, Eva und Erwin Strittmatter, Franziska Troegner, Berta Waterstradt, Gerry Wolf, Marianne Wünscher und vielen anderen. In einem ausführlichen Vorwort der Herausgeber erfährt der Leser viele Details zur Biografie der Journalistin, „einer durchaus kritischen, spitzzüngigen, aber zu Kollegen sehr solidarischen Frau, einer Frau mit viel Selbstironie“. Ergänzt durch Ausschnitte aus einem Interview mit Katrin und Ferdinand Teubner von 2016. Den größten Teil des 180-seitigen Buches nimmt der Briefwechsel zwischen Renate und oben genannten Freunden ein, darunter der mit einer ihrer besten Freundinnen, der Schauspielerin Franziska Troegner. Renates letzter Brief an die Freundin ist mit dem 14. Mai 2017 datiert. Renate Holland-Moritz starb am 14. Juni im Berliner Virchow-Klinikum, wo sie vor 82 Jahren geboren worden war.

Ingeborg Dittmann

Reinhold Andert, Matthias Biskupek (Hrsg.): "Du mit Deiner frechen Schnauze. Renate Holland-Moritz – Anekdoten und Briefe", Quintus (vbb), 176 Seiten, 19,90 Euro