Albrecht Franke
Aus dem Leben der Kino-Eule
Anekdoten und Briefe von Renate Holland-Moritz

Es gelingt wahrscheinlich nur wenigen „Schreibenden“, mit ihren Sujets oder Texten so eins zu werden, dass man sie nicht mehr trennen kann. Renate Holland-Moritz (1935-2017) vollbrachte das, sie war die „Kino-Eule“ im DDR-Satiremagazin „Eulenspiegel“. Ihre Filmkritiken galten etwas im Lande, waren beinahe legendär. Nicht jedem passte der ironische Ton, wobei Holland-Moritz auch giftig werden konnte. Freilich war sie auch zu großem Lob fähig, und ihr schriftstellerisches Talent brachte weit mehr zustande, als die monatliche Kino-Kolumne. DEFA und DDR-Fernsehen verfilmten drei ihrer zwanzig Bücher, der „Eulenspiegel“ veröffentlichte viele ihrer satirischen Erzählungen.
Matthias Biskupek und Reinhold Andert haben sich daran gemacht, Anekdoten zu sammeln. Mit Briefen garniert, vermittelt ihr Buch die Vita der Kino-Eule, ein spannendes, in vielen Belangen typisches DDR-Leben – und doch ein ungewöhnliches. Das bezeugen im Übrigen die beigefügten Bilder. Wie jeder literarisch Tätige musste auch Holland-Moritz mit den Besonderheiten des oft seltsam sich gebärdenden Landes zurechtkommen. Noch heute liest man mit Begeisterung, wie das Lachen dabei half. Andererseits ist staunenswert, was sich im Gewande der Satire sagen und schreiben ließ. Die Anekdoten und Briefe bieten ein Kompendium der DDR-Geschichte, und überaus aufschlussreich ist das Personenverzeichnis, es zeigt die weitgespannten Kontakte der Autorin. Die traurigen und lächerlichen Aspekte des Untergangs der DDR werden nicht verschwiegen, aber eben auf die Art, die der Titel des Buches signalisiert. Berührend sind die abgedruckten E-Mails, die zwischen Renate Holland-Moritz und Matthias Biskupek hin- und hergingen, genannt „die letzten virtuellen Meldungen“. Lapidar werden die Tragödien des Altwerdens und Krankseins mitgeteilt: „Die Chemo-Tabletten … lösen rasende Schmerzen aus.“ Aber sie hielt daran fest: „Eins gestatte ich mir trotz alledem nicht: den Abrutsch in Selbstmitleid und Depression“. Grotesk und zum Lachen reizend hingegen die Schilderungen ihrer Erfahrungen mit Haushalthilfen oder die Geschichte vom Geiz eines bekannten Karikaturisten des „Eulenspiegel“.
Anekdoten und Briefe darf man nicht nacherzählen, wer aus diesem Stoff eine Lebensgeschichte erfahren will, der sollte sie selbst lesen. Dank der sorgfältigen und respektvollen, ja freundlichen Arbeit der Herausgeber kann man das tun. Wer ein Fan der Kino-Eule war, wer sich von ihr vor Filmen warnen oder auf sie Appetit machen ließ, der muss das tun!

Oda – Ort der Augen – Heft 2/2020 – dr. ziethen verlag - Oschersleben

Reinhold Andert, Matthias Biskupek (Hrsg.): "Du mit Deiner frechen Schnauze. Renate Holland-Moritz – Anekdoten und Briefe", Quintus (vbb), 176 Seiten, 19,90 Euro