In guter Erinnerung


In guter Erinnerung
Matthias Biskupek stellt den Autor Ror Wolf in seiner Heimatstadt vor – und einige Saalfelder entsinnen sich
Von Sabine Bujack-Biedermann

Saalfeld. Der Hohe Schwarm, die Feengrotten und die Bibliothek seines Vaters –Ror Wolf kann sich an vieles aus seiner Kindheit in Saalfeld erinnern. Den Mitgliedern und Gästen der Saalfelder Goethe-Gesellschaft erzählt er davon am Dienstag im Sparkassensaal mit Radiostimme. Matthias Biskupek, der Referent des Abends, sprach vor zwei Jahren mit Wolf aus Anlass des 80. Geburtstags des Autors, der heute nach Dutzenden Umzügen in Mainz lebt. Daraus entstand die halbstündige Sendung „Eine Jugend in Saalfeld“ für den MDR, die Biskupek jetzt noch einmal vorspielt.
Als Richard Wolf am 29. Juni 1932 geboren, wächst der Junge zwischen Schuhladen und Wohnung in der Saalstraße 28 auf, besucht ab 1943 die Internatsschule in Wickersdorf, erlebt im April 1945 die Bombenangriffe wieder in Saalfeld und sieht zehn Meter vom Vaterhaus entfernt die Krater zerstörter Gebäude. Das prägt ihn genauso wie die Enteignung der Eltern später und die verweigerte Zulassung zum Journalistikstudium. Trotzdem sagt Ror Wolf, wie er sich später als Schriftsteller nennt: „Ich habe Saalfeld in guter Erinnerung.“ 1953 geht er über Westberlin und Stuttgart nach Frankfurt am Main.
„Ror Wolf ist kein Heimatautor wie Otto Ludwig oder Anton Sommer.“ Matthias Biskupek erinnert an Wolfs Fußball-Gedichte „zu einer Zeit, als Fußball als Proletensport galt“. Er stellt Wolf als vielfach ausgezeichneten Hörspielautor vor. Er erzählt von Sprachcollagen und Textexperimenten, die Wolf unter dem Pseudonym Raoul Tranchirer veröffentlichte.
Es dauert keine Stunde, und aus dem wissenden Nicken einiger Zuhörer werden Zwischenrufe und Erzählungen. Ingrid Hoppmann wuchs Tür an Tür mit Richard Wolf auf, ihr Bruder gehörte zur Jazz-Band „Styx-Union“, mit der „King Richard“ und seine Freunde in der jungen DDR aneckten. Auch Gerhard Meyer, der als früherer Kulturdezernent bereits im Radiofeature zu Wort kam, erzählt von „verrückten Sachen“, die sein älterer Bruder im „Special Club“ mit Wolf ausheckte. Und auf Wolfs Erinnerung an Ausflüge per Fahrrad nach Berlin in Jazz-Lokale sagt Günther Fischer, er sei auch einmal dabei gewesen.
Ein Buch, das der 20-jährige Wolf vom elf Jahre älteren Karl Jüttner erhielt, der damals bereits als freischaffender Künstler in Saalfeld lebte, habe ihn geprägt: „Der Prozess“ von Franz Kafka. „Es waren junge Leute, die in der Provinz versuchten,
sich mit Weltkunst zu beschäftigen“, sagt Biskupek über diesen „Kunstkreis“, der am 17. Juni 1953 zerbricht. Viele dieser Generation sind damals gegangen.