LESUNG: Neuanfang mit Hindernissen

Der Kultur- und Sportverein Vielitzsee lud zur Premiere Renate Holland-Moritz ein, Matthias Biskupek kam"

SEEBECK - Eine Überraschung erlebten die 80 Gäste, die gestern trotz der angeblich von Lindow aus gesperrten Straße den Weg nach Seebeck fanden. Froh, alle Hürden genommen und auch noch einen Platz im überfüllten Gastraum ergattert zu haben, erfuhren sie, dass die angekündigte Schriftstellerin und Journalistin Renate Holland-Moritz leider das Bett hüten muss. Ob sich die Filmkritikerin die Lungenentzündung auf dem windigen Potsdamer Platz zur Berlinale geholt hatte, blieb offen. Ihre Fans, die gestern von Nah und Fern in das Haus des Gastes gekommen waren, bedauerten es sehr, obwohl sich Matthias Biskupek in der Rolle des "Ersatzautors" tapfer schlug.
Am frühen Morgen war er in Rudolstadt (Thüringen) in den Zug gestiegen, nachdem ihn Renate Holland-Moritz angerufen hatte und ihn bat, sie in Seebeck zu vertreten. "Würdest du dahin fahren?", hatte sie ihn gefragt. Die Antwort kam prompt: "Na klar, wenn du angesagt bist, wird es garantiert voll." Matthias Biskupek hatte sich nicht geirrt. Seine Lesung veran-staltete er im Stehen, damit man ihn auch im letzten Winkel des Gastraumes verstehen konnte. Der Autor ist Jahrgang 1950, stammt aus Chemnitz und lebt jetzt in Thüringen. Nach einer Maschinenbauer-Lehre studierte er an der Technischen Hochschule Magdeburg Kybernetik und Prozessmesstechnik. Später arbeitete er als Regieassistent, Dramaturg, Bühnentechniker und Kleindarsteller am Rudolstädter Theater. Er war Publizist und Literaturkritiker bei der Zeitung "Die Weltbühne" und schrieb anschließend für deren Nachfolger "Ossietzky". Gestern las er Geschichten aus bisher erschienen Büchern, dabei ist die DDR-Vergangenheit allge-genwärtig. Biskupek berichtet von Egon, der sich vor der Kampfgruppenübung drückt, mit der Begründung, er müsse die kranke Mutter besuchen. Im Wald stoßen die ausschwärmenden Genossen auf Egons Trabant, der auf einem Weg steht und sich rhythmisch bewegt. Egon hat einen Ausflug mit seiner Kollegin Marion Lawitzky gemacht.
Dass Matthias Biskupek eine Ersatzvorstellung gab, war bald vergessen. Den Trabi und den Frauenruheraum kannten so gut wie alle Zuhörer, so dass die Lachsalven nicht abrissen. Für den Kulturvereinschef Reinhard Gundelach nahm somit die erste Veranstaltung doch noch einen guten Ausgang, so dass auch er zum Schluss lachen konnte. (Von Cornelia Felsch)