Alles ist immer neu das andere selbe

Der alles erklärende DDR-Roman: Wie man im Osten geworden ist
Von Andreas Montag, Mitteldeutsche Zeitung, 16. 3. 2016

Was wurde nicht gewartet auf den großen, alles erklärenden DDR-Roman! Und einige Male sollte er ja schon gesichtet worden sein - wie jener Elch, der vor Jahren durch Mitteldeutschland geisterte. Man denke an den „Turm“ von Uwe Tellkamp, der den Osten von einer Anhöhe der Bessergestellten am Rande Dresdens zu erfassen suchte.
Inzwischen gibt es persönliche, schöne Prosa aus den Tiefen der Erinnerung an einen nicht mehr existierenden Staat, in dem ja nicht pausenlos Parteiversammlung war, sondern auch gearbeitet, gelebt und geliebt wurde. Fast unauffällig haben Bücher wie Durs Grünbeins „Die Jahre im Zoo“ und eben auch „Der Rentnerlehrling“ von Matthias Biskupek unter uns Platz genommen und verdienen es, wahrgenommen zu werden.

Satiriker aus Sachsen
Biskupek, gebürtiger Sachse vom Jahrgang 1950, hat seinen 65. Geburtstag zum Anlass genommen, über jedes der gelebten Jahre eine Geschichte zu erzählen - oder auch mehrere. Wie im Kaleidoskop schimmert darin die ostdeutsche Republik in privat grundierten Reflexionen auf, ganz ohne Strahlenkranz und deshalb wahrhaftig. Aufgewachsen in dem Städtchen Mittweida, aus dem auch der Schriftsteller Erich Loest stammt (und wo er nun begraben liegt), beschreibt Biskupek, den man gleichfalls als Satiriker und Publizisten kennt, namentlich die DDR, deren Zeitgenosse er fast von Anbeginn gewesen ist, mit großer Detailgenauigkeit. Manchmal verzweigt sich die Geschichte ein wenig zu sehr, gleichwohl sind gerade die Elternwege, der Blick zurück in die Zeit vor dem selbst Erlebten, sehr erhellend. „Seht, was aus uns geworden ist!“, agitierte man im Osten. Biskupek liefert das Wie dazu.

Matthias Biskupek. Der Rentnerlehrling. Meine 66 Lebensgeschichten. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2015, 19,95 Euro