Frank Quilitzsch

Geschichten aus dem Vogelnapf

Wir haben es kommen sehen. Seit Jahren baumelte dieser Vogelbauer in der Wohnung unseres verehrten Kollegen, des Rudolstädter Schriftstellers Matthias B., und immer wenn wir ihn besuchten, mischte sich das freche Federvieh in unsere Unterhaltung: Quödeldödel! krächzte es und: Quotenquatsch! Jedesmal entschuldigte sich der Herr B. für seinen sittenlosen Sittich. Kina, pflegte er zu sagen, bin ich hier der Hausdichter oder du? Worauf der Sittich respektlos erwiderte: Klitschkloß! Kleinteiltexter! Herr B. warf dann das Handtuch über den Käfig, und für eine Weile herrschte Ruhe im Bau. Doch die Vorzeichen häuften sich. Wir haben uns über dramatische Veränderungen gewundert, in der Physiognomie wie auch in der Handschrift des Autors, doch wir haben nichts dagegen unternommen.

Nun haben wir den Salat. Herr B. hat seine "grauenhafte aber erbauliche Geschichte vom Zusammenleben eines intelligenten Vogels mit einem von der Gesellschaft permanent überforderten Schriftsteller" zu Papier gebracht und sogar einen Verlag dafür gefunden, eine dynamische Eine-Frau-Agentur. TLZ-Karikaturist Nel (Pseudonym "Cozacu") hat köstliche Farbillustrationen und Schwarz-weiß-Vignetten beigesteuert.

Alles wegen der Q

Die Geschichte - der Autor verliert die Kontrolle über seinen Vogel und tauscht zwangsweise mit ihm die Identität - ist fantastisch, doch ihre Ausführung geriet, mit Verlaub, ein wenig körnig. Eben gar nicht "kompromißlos, knackig, biskupeksch", wie es im Text lautet. "Biskupek" sei auch nur ein Pseudonym, werden wir vom Erzähler belehrt. Biskupek hat seinen Wellensittich vom Vogelhändler seines Vertrauens "gebraucht" erworben, und nun versucht er herauszufinden, wo Kina zuvor hauste. Die Spur führt ins rechtsradikale Milieu, zu den Kameradschaftstreffen eines gewissen Quintenschlaeger, wo der Vogel, ein Exot unter Ariern, aufmüpfig Zivilcourage bewiesen hat.

Spannender als das erzählerische Konstrukt erscheint uns die Frage, wer den Text verzapft hat? Biskupek oder sein Vogel? Ornithologisch-orthografisch ist das Werk einwandfrei. Aber stilistisch ... "Meine Kinder nahmen das zum Anlaß, mir kraftvoll mitzuteilen, daß ich mich nicht wundern solle, wenn ich eines Morgens mit einem Messer im Rücken erwachte." Wir wundern uns, dass die kleinen Kraftpakete im Chor sprechen. "Sie sind schlaksig", teilt der Verfasser weiter mit, "überragen mich um viele Haaresbreiten und sind zum Teil (!) weiblich." Zwitter also. Oder Zwitscher? Am Ende der Geschichte erfährt der Leser noch, dass die Kinder "auf ihren Karriereleitern immer schneller vorwärts (!) eilen".

Darf ein Kritiker an einem Werk herumkritteln, in welchem er (Seite 61 unten) als "berühmter Landeszeitungs-Redakteur" erwähnt wird? Namentlich und mit Titel! Noch vor seinem OTZ-Kollegen Querengässer! (Freilich alles nur wegen der Q) Trotzdem, er muss! Noch manch Anderes müssten wir dem bedauernswerten Vogelopfer um den Schnabel fetzen, dass es quirrt, quorrt und quitschert. Aber im Buch gibt´s ja auch schöne Sätze. Als Biskupek zum bitteren Ende von Kina gepackt und in den Edelstahlkäfig gesperrt wird, heißt es: "Ich schaukele wie wild auf den Wackelhölzchen und hacke auf meinem miesen Plast-Ebenbild herum. Wie kann man fühlenden Wesen so eine Sexpuppe beigesellen und denken, damit sei dem Wunsch nach sozialem Verhalten Genüge getan?"

Verquorrene Fragen. Quödeldödel. Quitschquatsch.


Frank Quilitzsch, Thüringische Landeszeitung vom 16. März 2005