Der silberne Matti
Matthias Biskupek ist - ja was eigentlich? Porträt eines Mannes, der in keine Schublade passt
Von OTZ-Redakteur Thomas Spanier, Rudolstadt 10.11.2007

Wie nähert man sich einem Menschen, den man - mehr oder weniger flüchtig - seit 20 Jahren kennt? Als der Verfasser dieser Zeilen Ende der 1980er Jahre in der damals noch feuchten Ludwigsburg zu Rudolstadt im "Zentrum junger Autoren" unter freundlicher Anleitung und dem wachsamen Blick der Staatssicherheit eigene und Schreibversuche Gleichgesinnter analysierte, hatte Matthias Biskupek schon den Olymp erklommen. Der Rudolstädter Autor war "freischaffender Schriftsteller", schaute dennoch gelegentlich beim Nachwuchs vorbei und fiel schon damals durch scharfen Verstand, gepflegten Umgang, sprießendes Gesichtshaar und einen Humor auf, der niemals verletzend, aber immer entwaffnend war. Viel hat sich daran in den zwei Jahrzehnten seitdem nicht geändert. Biskupek ist ein Pragmatiker durch und durch, was Fluch und Segen zugleich sein mag. Kein Bohemien mit wallenden Locken, dessen Frauengeschichten zu mitternächtlicher Stunde hinter vorgehaltener Hand erzählt werden. Kein Kult-Ossi wie Hans-Eckardt Wenzel, Olaf Schubert oder Alexander Osang, zu denen die Leute noch und warum auch immer in Scharen rennen. Kein Genius der gedrechselten Linguistik, dem die Kritiker zu Füßen liegen und Preise auf dem Silbertablett serviert werden.
Biskupek ist stattdessen seit 32 Jahren mit derselben Frau verheiratet, die ihm ein Jahr nach der Hochzeit einen Sohn gebar, der vor drei Jahren als Physiker zum Thema "Charakterisierung von Nanokristallen in Siliziumkarbid mittels Transmissionselektronenmikroskopie" promovierte. In gerader Linie sozusa- gen, denn drei Jahrzehnte zuvor erwarb Papa Biskupek an der Technischen Hochschule Magdeburg den Titel Diplomingenieur mit einer Arbeit zur digitalen Weg- und Winkelmessung.
Er landet als Systemanalytiker, zeitweise auch als Maschinenfahrer im Chemiefaserkombinat "Wilhelm Pieck" in Schwarza - und langweilt sich fürchterlich. Wie viel spannender ist da die Arbeit mit Texten, die ihm locker aus der Feder fließen. Er geht als Regieassistent ans Rudolstädter Theater, schreibt Texte für das Geraer Kabarett "Fettnäppchen . 1981 erscheint im Eulenspiegel-Verlag sein erster Geschichtenband "Meldestelle für Bedenken".
Bedenken hegen zu dieser Zeit auch einige Genossen der Partei- und Staatsführung am gefestigten Klassenstandpunkt des Nicht-Genossen Biskupek. Zwar führt ihn die Stasi, ohne sein Wissen und ohne Verpflichtungserklärung, als Inoffiziellen Mitarbeiter, den man "abschöpft", zugleich aber hat man ein wachsames Auge auf den Mann mit der spitzen Feder. Als seine Kabaretttexte - auf Anweisung der Stasi, wie sich später herausstellt - zwar bezahlt, aber nie gespielt werden, zweifelt Biskupek an seinen Fähigkeiten als Autor, nimmt das Honorar aber als leicht verdientes Geld mit. Immerhin sechs Bücher und ein Hörspiel darf er bis zur Wende veröffentlichen, ist zudem seit 1982 Autor der monatlichen Literaturkritik im Satiremagazin "Eulenspiegel". "Eine der ältesten Serien in deutschen Zeitschriften", wie er ganz unbescheiden feststellt.
Die Rubrik hat in diesem Jahr silbernes Jubiläum, wie so vieles im Leben des "Matti", wie er am Rudolstädter Theater heißt: Das erste Kinderhörspiel, der Abschluss am Literaturinstitut, die Kandidatur im Schriftstellerverband, dessen Thüringer Dependance er nach der Wende ein paar Jahre vorsteht. Selbst das Haupthaar hat edelmetallene Farbe angenommen.
Die Wende im November ´89 eröffnet Matthias Biskupek völlig neue Möglichkeiten. Er ist plötzlich gefragter Kolumnist, Publizist, Kulturfunktionär, Hörspielautor. Er reist nach England, in die Schweiz, nach Polen, Finnland, Japan und den USA. Seinen 57. Geburtstag im vorigen Monat hat er auf Studienreise in Israel verbracht.
Er hat eine Zweitwohnung in Berlin, eine gut gepflegte Internetseite und noch immer den zupackenden Dialekt seiner sächsischen Heimatstadt Mittweida. Er trägt mit Vorliebe dunkle, weite Hemden locker über der Hose, neuerdings ein Abzeichen der Jungen Naturschützer der DDR und jenes verschmitzte Lächeln, das die Fähigkeit zur Selbstironie verrät. Er macht sich im MDR-Fernsehen stark für arbeitslose Germanisten und das solidarische Bürgergeld des Dieter Althaus. Er steht dem Theater-Förderverein vor und schreibt über die Fußball-Weltmeisterschaft. Er schreibt Kolumnen für die Frankfurter Rundschau und Leserbriefe an die OTZ, wenn jemand ins Kabarett-Fettnäpfchen tritt. Er ist nach wie vor Täter und Opfer. Er passt noch immer in keine Schublade.
Eine Konstante allerdings zeichnet sich nun - im sechsten Lebensjahrzehnt - im Schaffen des M.B. ab. Beide in diesem Jahr erschienenen Bücher - die "Streifzüge durch den Thüringer Kräutergarten" wie auch "Eine moralische Anstalt" - spielen in Rudolstadt und Umgebung. "Vielleicht", sagt Matthias Biskupek mit schelmischem Blick, "bekomme ich jetzt noch die verdiente Anerkennung als Heimatdichter". Sicher ist das freilich nicht.