Leserbrief zu "Eine moralische Anstalt" , Januar 2008

(...) wie vorausgesagt, habe ich zu Weihnachten die "Moralische Anstalt" bekommen und an einem (!) Tag gelesen. Da Autoren, so denke ich, an einem Fietbäck ihrer Leser interessiert sind, möchte ich auch gleich schreiben, noch in diesem alten Jahr, da im neuen der Herr Schäuble mitliest oder speichert oder auf terroristische Pläne hin untersucht. Deshalb werde ich mich auch hüten, von einem Mords-Roman oder Bomben-Lektüre zu sprechen, dies könnte das Misstrauen von Oltn. Rohrscheich wecken. Selten hat mich ein Buch so zum Nachdenken angeregt wie dieses.
Immerfort fragt man sich: Wer ist wer? Wen meint er mit dieser Figur? Bist du der auch früher begegnet? Bei einigen ist das recht einfach (Matti, Violline, Zahmholz, Raumberger, Rauch), auch den Dramaturgen mit seinem Hundetüm meine ich zu kennen, unklar wird es schon bei der Pompetzky (...) Interessant ist die Figur des Gerhard Kanthe, gabs wirklich einen Funktionär, der soviel riskiert hat und einen frischen Wind in die Provinz bringen wollte? Kaum vorstellbar. Wer war Oskar Plaatz? (...) Wer soll denn der große Schauspieler Müllerbacher gewesen sein? Und dann erst die Geschichten! Wurde tatsächlich der Hund des Dramaturgen als Musikdramaturg gemeldet und besoldet, um den Theaterdichter Trulla (Wer zum Teufel war das nun wieder?) bezahlen zu können? Kaum zu glauben, auch wenn in der DDR alles möglich war. Und sind die IM-Berichte satirisch bearbeitete Originaltexte oder gänzlich vom Autor nachempfunden? So viele Fragen, die sich mir als einfachem Zuschauer bei beiden Spektakeln stellen.
Ansonsten ist das Buch nicht ganz uneitel, insbesondere die Darstellung des Matti als schlanken (!) Jüngling, der dem Regisseur zeigt, wo es langzugehen hat. Die Karikaturen sind bewährt genial und auch die Orthografie ist (Sieht man von dem fehlenden Dativ auf S.67 und einem zuviel gesetzten Komma ab) ganz ordentlich. Ein schöner Lesespaß!