Werner Liersch

Biskupeks Tierleben

Was sind nicht für angenehme, intelligente Menschen unter den Tieren zu treffen. Die tägliche Erfahrung bestätigt es immer wieder neu. Und wen, aus welchen Gründen auch immer, - enges Heim, Allergie des Partners, Hartz IV, zu lautes Bellen - , der leibhaftige Umgang mit den treuesten der Treuen, Hund oder Katze, verwehrt ist, dem bleibt für solch schöne Begegnungen noch immer das Reich der Phantasie. Dabei denken wir nicht an den Bildschirm, auf dem es in Savannen, Urwäldern, Tierkliniken vor allen möglichen Tieren nur so wimmelt, sondern an ein so konventionelles Erlebnismedium wie das liebe gute alte Buch. Gerade hat Matthias Biskupek ein unterhaltsames Begegnungsbuch geschrieben, in dem sich ein gefiederter Kamerad, der Wellensittich "Kina", kennen und lieben lernen läßt. Dem lesenden Tier- und Literaturfreund outet der Autor die Geschichte einer erstaunlichen Partnerschaft voller ungewöhnlicher Aussagen.
Alles fängt damit an, daß sich unser Autor als liebevoller Vater einen gebrauchten Wellensittich für seine Kinder kauft. Wenn Kinder Verantwortung für ein lebendiges Wesen tragen müssen, schärft sich ihre Sozialkompetenz. Leider bleibt er mit dieser guten Idee allein und muß "Kina" in sein Tagwerk integrieren, daß die "Literatur" ist. Glück im Unglück allerdings, daß "Kina" als sozialer Wellensittich ein Partner unseres Künstlers wird, von dem wir bei der Gelegenheit erfahren, daß der Name "Biskupek", was Kundige länger schon vermuteten, ein Autorenpseudonym ist. Man muß übrigens ziemlich lange zurückblättern, um auf Literatur über einen ähnlichen Glücksfall zu stoßen. Der Romantiker E. T. A. Hoffmann beschrieb den gebildeten Kater Murr, der im Hause des Kapellmeisters Kreißler lebt, sich mit ihm über Kunst austauscht und mit Kreißler das zeitgenössische Leben um 1820 besteht. "Kina" und "Biskupek" haben mit dieser unseren Gegenwart zu tun und wem es bis hierher steht mit Sparzwängen, rechten Glatzköpfen, grünen Gutmenschen, der politischen Großwetterlage, menschenunwürdiger Tierhaltung, Generationskonflikten, uns Menschen hier draußen, der wird nach dem Lesen dieses Buches zwar immer noch damit zu tun haben, hat aber eine köstliche parodistische Lachatempause gehabt.
Ohne Trübungen ist das Verhältnis zwischen "Biskupek" und "Kina" übrigens nicht, soviel Verständnis der Vogel auch für die Probleme eines Künstlers zeigt, dem es an Zuwendung und an Zuwendungen fehlt. Irgendwie hat nämlich die Performanz des Wellensittichs ins Menschliche nicht ganz geklappt. "Kina" zeigt große Vorliebe für den Buchstaben "Q", quasi als Quellensittich und "Biskupeks" Lebensqualität ändert sich zum Ende der Geschichte hin dramatisch. Er findet sich als quitschernder Sittich bei Vogelhändler Quintenschläger wieder. Eine eindrucksstarke Querele. Ich sehe nach der Lektüre jeden Quellensittich anders. Es könnte Biskupek sein. Dieses Buch aus seiner Zeit als Mensch ist ein Vergnügen. Daß wir an ihn gern denken, hat auch mit den witzigen Textillustrationen Ioan Cozacus (Nel) zu tun. Sichern Sie sich das qualitätsvolle Nachlaßwerk bei Ihrem Buchhändler. Verlag unten.

Matthias Biskupek, "Der soziale Wellensittich", Illustrationen: Ioan Cozacu, 2005, 80 Seiten, € 9,80 [Individuell Verlag] ISBN 3-935552-11-4