Lausitzer Rundschau, Cottbus, Seite Kultur, 04.11.2006
Ein Hofnarr im Osten


Matthias Biskupek treibt auf Gut Geisendorf seinen Spaß am Spott

"Horrido Genossen!" , so lautete die Begrüßungsformel am Donnerstagabend auf Gut Geisendorf. Die richtige Einstimmung auf das gleichnamige Buch von Matthias Biskupek, aus dem der Autor im Literaturforum Vergnügliches zum Besten gab.

Niemand muss an diesem eisigen Novemberabend das Eis brechen. Diesem Mann, der als Eulenspiegel der DDR, gar als Hofnarr vorgestellt wird, fliegen sofort die Sympathien zu. Liegt es an den verschmitzten Augenwinkeln, aus denen er die Welt betrachtet oder an der Art, wie er mit offenem Visier unbequeme Wahrheiten gelassen ausspricht: Die Besucher auf Gut Geisendorf jedenfalls amüsieren sich königlich. Fühlen sich wie in der Gesellschaft eines lange Vertrauten, dem zu trauen – und allerhand zuzutrauen ist.
Die gegenwärtige Lage zwinge ihn, etwas zum Wetter zu sagen, steigt der 56-jährige Publizist ein – und redet mit der Stimme eines quengligen Sprösslings vom Rodeln. Dieses unvernünftige Kind will Schnee, auch wenn die Familie die Winterferien auf Mallorca verbringt, schließlich gebe es Trauben auch nicht nur im Herbst. Und dann wechselt Biskupek die Seiten, nimmt die Position des schwitzenden Papas ein, der so seine Probleme bekommt mit der Globalisierung. Und schließlich eine harmlose Platzwunde am Kopf vom Rodelschlitten davonträgt, den ihm das "Rodeln" brüllende Kind an den Kopf knallt.
Ja, treffsicher geht es in Biskupeks "Horrido Genossen!" zu, einem Buch, das zum 50. Geburtstag des Eulenspiegel-Verlages herauskam und Geschichten aus den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern und von heute in sich vereint. Den Buchdeckel aber ziert ein Schweinskopf, der Hammer und Sichel frisst, eine Karikatur des in Rumänien geborenen "Nel" Ioan Cozacu. Was Biskupek zugleich zu einer Jagdgeschichte herausforderte. Auch ein "Kleines DDR-Lexikon" legt Biskupek der Nachwelt zu Füßen. Besonders den Lesern aus den "gebrauchten Bundesländern" . Denn hier enthüllt er die geheimnisvollsten Blüten. Pfuschen zum Beispiel bedeutete nicht schlechthin liederliche Arbeit. Sondern staatlich erlaubte Schwarzarbeit. Und Jumo-Lappen waren Jeans, die nichts taugten, was spätestens seit Plenzdorfs "Die Leiden des jungen W." im Osten klar war. Auch Biskupeks Texte leben vom Vokabular, das er dort, wo er lesen lernte, aufgesogen hat. Sie bewahren dabei Geschichte auf amüsante Art auf, ohne sie zu beschönigen oder in den Müll zu werfen.
Aber auch über sich selbst lässt der gebürtige Sachse, dem auch der Roman "Der Quotensachse" zu verdanken ist, nichts im Dunkeln. Deshalb habe er eine Autobiografie geschrieben unter dem aufschlussreichen Titel: "Der soziale Wellensittich" . Auszüge aus der grauenhaften, aber erbaulichen Geschichte vom Zusammenleben eines intelligenten Vogels mit einem von der Gesellschaft permanent überforderten Schriftsteller reizen auch in Geisendorf die Besucher zu Lachtränen.
Der studierte Diplomingenieur für technische Kybernetik und Prozessmesstechnik, der als Regieassistent und Dramaturg am Theater Rudolstadt arbeitete und sich seit 1983 als freier Autor durchs Leben schlägt, erlebt nun in Geisendorf "das Höchste, was Schriftsteller dürfen: gleich zwei Frauen darstellen" . Brecht hätte es eine Fischweiberszene genannt. Mit Biskupek kann das nur eine kabarettreife Vorstellung werden. Zahlreiche Kabarett-Texte stammen aus seiner Feder, nicht alle durften in der DDR gespielt werden. Romane schrieb er, eine Biografie über den bayerischen Humoristen Karl Valentin, Geschichten, Feuilletons, literarische Kritiken und Grotesken. Auch seine spitzzüngigen Beiträge in der "Weltbühne" (später "Ossietzky" ) und im "Eulenspiegel" sind in Geisendorf in guter Erinnerung. In der "Aussprache" , zu der er auffordert, gibt er dann zu: Er fühle sich vor allem als Publizist für Kleinteiliges. Und nicht selten – noch immer wie ein Hofnarr.

Von Ida Kretzschmar