989 Vor-Worte über M. K.

989 Vor-Worte über M. K.

Dieses Vorwort besteht, wie der Titel sagt, aus 989 einzelnen Wörtern.
Das Lebenswerk von Manfred Kiedorf besteht aus nicht gezählten Figuren, Prunksäulen, Sänften, Bäumen, Reimen, Postkarten, Tiegeln, Tellern & Tassen im Schrank, Arztkitteln, Briefmarken mit und ohne Zähnen, Spruchblasen, Schiffsmodellen, handschriftlichen Briefen, Burgen, Bergen und Talmühlen, Türmchen und Dachhauben, Katzen, Knetkugeln, Kanonen, Spatzen, Spitzenhäubchen und Sportunfällen.
Neben seinem Hauptwerk, dem Königreich Dyonien, Teil der Schlösser der gepriesenen Insel, hat M. K. bislang eine wiederum kaum überschaubare Zahl von Nebenwerken geschaffen: Sammlungen seiner Zeichnungen als Privatdrucke mit Vor-, Nach- und Mittelworten. Hinzu kommen drei- und vier- bis siebendimensionale Kunstwerke zum Aufstellen und Interpretieren, vor allem aber Aktionen, die das ungebildete Volk als Gesänge, Volksreden, Besäufnisse oder Krakeelereien bezeichnen würde. Wir bevorzugen den Begriff Performance.
Dieses Büchlein nun ist ein Hauptwerk unter den Nebenwerken, eine vorvor- oder auch vorletzte, in sich vernetzte Sammlung der von M. K. in die Welt gesetzten und vor allem weltweit verschickten Bilder zum Lieben auf dem Lande und zum Leben, welches prall ist, also zu Zeitgeist und Ungeist. Doch vor Zeit- und Ungeist mag zunächst etwas vom Leben des M. K. stehen; gebürtiger Berliner und wieder dort ansässig zwischen seinen Ausbrüchen in Wohnhaft.
Dass M. K. früh nach Thüringen kam, um in Neuhaus, Sonneberg und Stützerbach Schulbänke zu drücken, bestimmte sein Leben. Denn wer ein alter ego des Kiedorf, nämlich den Bombastus von Igelshieb kennt, wird die Namensspur bis fast in den Himmel, also zu den Höhen des Thüringer Rennsteig verfolgen können. Dass er sich auch mal Myslewicek nannte, könnte auf böhmische Wurzeln deuten, doch die verschiedenen Identitäten erläutern wir unausführlich vor dem fünften Kapitel: „Selbst mit Chevalier & Graf“.
In Thüringen, genauer in Sonneberg im Jahre 1951, wurzelt aber auch das Grundverständnis seines Lebens: einer der Götter der gepriesenen Inseln zu werden, zu sein, sowie geworden und gewesen zu sein. M. K. lernte Gebrauchswerber und saß dazu gemeinsam mit seinem Freund Gerhard Bätz zwischen lauter für sinnvollen Gebrauch werbenden jungen Damen. Was blieb den beiden anderes übrig, als die Sache spielerisch zu nehmen, sprich: mit Halmasteinen eine eigene Welt zu entwerfen? Eine Welt aus Kämpfern und Gewinnern, die die gegnerischen Gewinner und Kämpfer mit Hilfe von winzigen Kanonen, also Blasrohren und Papierkügelchen zu Verlierern und friedlichen Hosenscheißern machen mussten.
Wie aus diesen Anfängen innerhalb eines halben Jahrhunderts jene Schlösser der gepriesenen Insel wurden, die mit ihren Kohorten von Bediensteten, mit Pferden und Pfauen, mit Einzelexemplaren morganatischer Nebenfürsten als Miniaturausstellung jetzt in der Hofküche des Schlosses Heidecksburg in Rudolstadt zu sehen sind, muss der Interessierte selbst entdecken – notfalls per Studium einer seit langem existierenden Sekundärliteratur (www.rococoenminiature.heidecksburg.de).
Nachdem M. K. die Gebrauchswerberei bis zum Ende erlernt hatte, übte er dieselbe meist gemeinsam mit G. B. in Weimar und Erfurt aus, dem sich ein Abend- und Nachtstudium des nackten wie auch bekleideten Lebens anschloss. Das Bühnenbild zum Leben wiederum studierte er ab 1956 in Berlin bei Heinrich Kilger. Danach folgte erneut Entscheidendes: Er zeichnete und baute Modelle im Mosaik-Kollektiv. Wer über jene legendäre „Bilderzeitschrift“, wie sie im Stil der Zeit hieß, Näheres wissen will, mache sich bei Mosapedia kundig.
Als freischaffender Bastelkünstler fertigte er sodann Modelle für Museen und die DEFA an, lernte den Knast in Schwarze Pumpe kennen und den Verband Bildender Künstler in der DDR. Da Freund G. B. ab 1986 nicht nur den Knast, sondern auch den Westen kennenlernte, folgte ein umfangreicher Briefwechsel zwischen Berlin und Fulda, in dem die Grundzüge der Sprache der gepriesenen Inseln, Pezzanisch, festgelegt wurden. Auch Tulde Geiffermeier (siehe da) und der Hofzwerg Chevalier Klimpe (siehe dort) schärften hier ihre Charaktere.
Nach endgültiger Niederlassung der Schlösser der gepriesenen Insel in Rudolstadt begann M. K. seine gezeichneten, gelegentlich gereimten Mitteilungen, die sich in Briefen samt eigens dafür erdachter Briefmarken verbargen, auch mehreren Rudolstädtern zuzusenden. Damit vertiefte er bereits früh gelegte Spuren von Enthüllungen auf Papier.
Aus diesem Fundus sind die nachfolgenden Seiten zusammengestellt. (Siehe Danksagung im Impressum). Es wurde darauf geachtet, dass Ehrverletzungen, die zum Beispiel die christkatholische Kirche und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland betrafen, nur in genießbaren Dosen gereicht wurde, denn Satire soll bekanntlich töten, aber niemals verletzen.
Wie jedes große Werk der Weltgeschichte zerfällt auch dieses Buchexemplar. In mehrere Teile. Unter „Minister & andere Merkeleien“ finden sich die Kommentare zu Ereignissen, die heute längst vergessen sind. Wer weiß noch, was der Wetterprophet Kachelmann mit metallnen Banden trieb, wer Pofalla war und welche Disziplin ein gewisser Doktor Guttenberg am besten beherrschte? Deshalb sind dort sparsam Erklärungen angefügt, die zugleich einen Bildungs-Gang in die jüngere Politik- und Skandalgeschichte bedeuten. Denn M. K. beobachtet immer die Welt der Behörden und Befehlshaber, selbstverständlich genauer, als amtlich bestallte und aus Anzeigenerlösen bezahlte Pressezeichner.
Teil II bedarf keiner Erklärungen, denn „Mann & Mausi intim“ könnte vielen Menschen geläufig sein, zumal wenn man bedenkt, dass ein ähnlich lautendes Druckwerk von 1969 aus dem Greifenverlag (ehemalig) zu Rudolstadt der Deutschen Demokratischen Republik (ehemalig) an uralte Verhaltensweisen der menschlichen Geschlechter erinnert. In Teil III werden Situationen bildlich dargestellt, in die die einst blutjungen und nunmehr etwas gereiften Herren B. und K. gelegentlich kommen, während Teil IV „Das Kiedorf und der Böse Wirt“ mit einem erklärenden Interview eingeleitetet wird. Hier sei lediglich darauf verwiesen, dass das „Kiedorf“ ein real existierendes, gelegentlich preisintensives Restaurant für den pekuniär gebildeten Herrn und die mit Ansprüchen gut ausgestattete Dame in der Schillerstraße (64 Höhenmeter unterhalb der „Schlösser der gepriesenen Insel“) darstellt.
Teil V schließlich verweist auf verschiedene Identitäten des M. K. und seine Katzenliebe, die auch eine Affenliebe ist. In einem einleitenden Text wird die gärtnerische Idylle im Kornblumenweg zu Berlin, in der sich viele Ideen quasi von allein ausbrüteten, beschrieben.
Und da dieses Buch auch für die Wissenschaft ein blühender Garten, ein wackeres Pfund und eine tapfere Kampfschrift sein soll, ist kein Verzeichnis der Kiedorfschen Nebenwerke angefügt.

Für die aufmerksame Gesamtlektüre sei der Leser gepriesen im Namen des Herrn Kiedorf und seiner willigen Vollstrecker aus dem Impressum.