Das Glück des richtigen Buches

Matthias Biskupek plaudert auf 22 Textseiten über 20 Jahre Wende
Von Heinz STADE

Das Wörtchen Feuilleton, dem diese Zeitung täglich eine Seite nicht eben billigen Papiers zur Verfügung stellt, erklärt das 1962 im ostdeutschen Leipzig erschienene Fremdwörterbuch mit 1.Zeitungsbeilage (Blättchen), mit 2. belehrender und unterhaltender Teil einer Zeitung und 3. mit Zeitungsaufsatz (österreichisch). Der 1996 im westdeutschen Mannheim erschienene Duden sieht im Feuilleton einen im Plauderton geschriebenen Aufsatz. Der aus Ostdeutschland stammende, seit 1990 im gesamtdeutschen Zeitungs- und Buchmarkt sein schreibtägliches Brot verdienende Schriftsteller Matthias Biskupek wird mit dem, was er der Leserschaft hüben wie drüben anbietet, allen Deutungen des Wortes Feuilleton gerecht. Der Bild-Text-Band "Das Glück des richtigen Geldes" belegt dies aufs Neue. Wohl wissend, dass die Jubiläen 20 Jahre Mauerfall und Deutsche Einheit eine Bücherflut auslösen werden, haben der Autor und der in Erfurt mit einer Dependenz agierende Verlag eine Auswahl an Fotos und Texten zwischen zwei großformatige Pappdeckel gebracht, die lexikalisch und kalendarisch zwar höchst unvollkommen ist, im Mahlwerk allgegenwärtiger Geschichtsaufarbeitung dennoch mit dem Prädikat besonders gelungen versehen werden darf. 20 Jahre Wende, 20 Kapitel - klar. Die Auswahl der Ereignisse und darin handelnder Personen rührt in der Tat vom Kalender her, aber schon die Überschriften zeigen an, dass es Biskupek um größere Zeiträume als den eines Kalenderjahres, um mehr als die verblichenen, vergessenen, vergesslichen, verstörenden, verschaukelnden und verschaukelten, vergrätzten oder auch verehrten Menschen beiderseits der einstigen Grenze ging und geht. "Ein unaufgeklärter Mord" (Treuhand), "Der König von Leipzig" (Baulöwe Schneider), "Die Rückkehr des hässlichen Deutschen" (Neonazis), "Rotkäppchen schluckt Mumm" (Sektkellerei Freyburg) oder "Aufstieg und Fall des Jan Ullrich" (Sport) etwa knüpfen am sattsam Bekannten an und greifen inhaltlich weit über den schlagzeilenden Fakt hinaus. Auch das wäre noch keine Kunst, würde Biskupek nicht das Kunststück fertig bringen, die Schilderung diverser Vorgänge und Entwicklungen hier wie da auf sage und schreibe - letzteres ist wörtlich zu nehmen - jeweils nur einer Dreiviertel Buchseite Text unterzubringen. Zwei Jahrzehnte Wende und was ihr folgte auf 22 im Plauderton verfassten Buchseiten - da zeigt sich der im Feuilleton nicht eben häufig vorkommende Meister der Beschränkung. Und ein Autor, der, wenn es ihm abverlangt wird, auf die Kraft von Bildern und deren Wirkung beim Betrachter vertraut - zumal der für dieses Buch ausgewählten, oft für sich sprechenden Fotos.

Von mir gibt’s dafür vier **** Sterne (den 5. versage ich, da die Gestaltung - besonders bei Fotos die über den Bruch der Doppelseite gehen - nicht immer gelungen ist)