Das Glück des richtigen Geldes

Matthias Biskupek setzt Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten nach der Wende
Von Annerose Kirchner

Wenn Matthias Biskupek als Chronist auftritt, ist höchst Eigenwilliges, Eigenständiges zu erwarten, präsentiert mit Augenzwinkern, spöttisch- und kritisch-subjektivem Blick und Doppelbödigkeit. "Das Glück des richtigen Geldes" heißt der Bild-Text-Band, in dem der Rudolstädter Autor an die zwei Jahrzehnte nach der Wende erinnert – mit 20 Kalenderblättern, die pointiert große Momente deutscher Geschichte fokussieren. Diese Neuerscheinung aus dem Sutton-Verlag Erfurt wird garantiert nicht im noch bevorstehenden Bücher-Herbst-Boom zu den Themen Mauerfall und Wende, 60 Jahre BRD und Gründung der einstigen DDR untergehen. Ein kleiner Makel: An der Gestaltung wurde gespart, auch die Bindung ist nicht ganz zufriedenstellend.
"Wer über zwanzig Jahre deutscher Einheit redet, sollte das Vorher nicht aussparen", sagt Matthias Biskupek und erinnert im Prolog an das "tänzerische Ende" der DDR, ausgelöst durch den Ruf "Wir sind das Volk". "Die Widersprüchlichkeit dieses Staates zu jener Zeit zeigt sich im pompös inszenierten 40. Jahrestag der DDR. Dazu blies ein Mann feierlich die Trompete, der heute als Widerstandsheld gilt: Ludwig Güttler." Zwei Jahrzehnte vereinigtes Deutschland – eine Bilderreise mit Fotos, die überlagerte Geschichte(n) erzählen. Da ist der Autor, der privat Tagebuch führte, das Kalenderblatt mit seinen Erlebnissen als Zeitzeuge füllt und da sind die Momentaufnahmen, die Bilder. 20 Geschichten aus 20 Jahren – das sind ausgewählte Schlaglichter aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Alltag, die Schlagzeilen machten und ein Volk veränderten. Zuerst über die friedliche Revolution, an die ein Erich Honecker nie zu denken wagte, der ein Jahr vor dem Mauerfall noch steif und fest behauptete, die Mauer werde "noch in hundert Jahren" stehen.
Matthias Biskupek schaut nicht voyeuristisch durch Schlüssellöcher, sondern bevorzugt den direkten Blick. Er erinnert an die Auftritte der Politprominenz, wie Günter Schabowski, der am 9. November 1989 versehentlich einen Satz sprach, der Grenzen öffnete oder zeigt, wie sich "Kohls Mädchen", Angela Merkel, zur Bundeskanzlerin. Ob Währungsunion, Treuhand, Mielkes Verurteilung 1993 ("Inoffizielles Beobachtungsprotokoll"), der Abzug der Roten Armee 1994 oder Karl-Edurad von Schnitzlers letzter Auftritt – Geschichte ist präsent. Ein Kalenderblatt für Tamara Danz, die 1996 verstarb, aber auch für Pleitier Baulöwe Jürgen Schneider und weitere Absteiger wie Jan Ullrich. Erfolgsgeschichten mit "Rotkäppchen schluckt Mumm" und dem "Oscar" für "Das Leben der anderen". Der Ausblick in die Zukunft heißt "Pissa leßt krüsen". "Der Wanderer durch diese Bild-Text-Ausstellung wird nicht umhin kommen, seine eigenen Geschichten hinzuzufügen", resümiert Matthias Biskupek. "


Matthias Biskupek: Das Glück des richtigen Geldes und weitere Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten seit der Wende. Sutton-Verlag, Erfurt, 128 S. mit zahlr., zum Teil doppelseit. Abb., 24.90 Euro