Geschichten, die Geschichte schrieben

VON HELGA HEILIG, 17.04.09

NAUMBURG. Es gibt wohl kaum einen Verlag in Deutschland, in dem in diesem Jahr nicht Bücher zum Thema "20 Jahre Wende" erschienen sind oder noch erscheinen. Dem konnte sich auch der Sutton Verlag Erfurt nicht entziehen. "Das Glück des richtigen Geldes und weitere Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten seit der Wende", ist der Titel eines Bandes mit zahlreichen beeindruckenden Schlaglichtern in bildlicher Form und mit entsprechenden Texten. Sie stammen aus der Feder - konkreter der Tastatur - des Schriftstellers Matthias Biskupek. Der in Rudolstadt und Berlin lebende Autor ist hauptsächlich bekannt als bissiger Satiriker. Fürs "Glück des richtigen Geldes" hat er seine Bissigkeit über viele Seiten lang vergessen, versteckt, vielleicht auch unterdrückt. Biskupek erzählt in chronologischer Reihenfolge Geschichten - keine erdachten - sondern solche, die passiert sind. Selbstredend verleugnet er sich dabei nicht, sondern gestattet sich sehr wohl diesen oder jenen Seitenhieb. Er vergisst auch nicht, so einiges wieder geradezurücken, was in der Vergangenheit - durch wen und warum auch immer - in eine geschichtliche Schieflage geraten ist. Eigentlich kann man "Das Glück des richtigen Geldes" auch als ein Bilderbuch zur Geschichte anpreisen. Bevor die Texte zu diesem Band entstanden sind, wurde der Großteil der Fotografien dafür in einer Fotoagentur ausgewählt. Der Anfang des Buches beschreibt mit einem eindrucksvollen Bild und Text das Ende der DDR - und zwar nicht am 4. oder 11. November 1989, sondern am Vorabend des 40. Geburtstages der Deutschen Demokratischen Republik. In Berlin gab es am 6. Oktober 1989 zum letzten Mal in der Geschichte der DDR eine Demonstration, mit der der Arbeiter- und Bauernstaat seine ungebrochene Stärke unter Beweis stellen wollte. Am Rande dieses Aufmarschs wurden Menschen verhaftet. Biskupek stellt in seinem Prolog lakonisch fest: "Die Mehrheit der Deutschen sieht die Nachkriegsgeschichte als westdeutsche Geschichte (...). Die DDR ist Anhängsel, Episode, bestenfalls Bildungsstoff wie die Schlacht im Teutoburger Wald." Neben vielen, schon vergessenen Episoden oder Ereignissen schreibt Biskupek auch über ein Erfolgsmärchen. "Rotkäppchen schluckt Mumm" heißt es. Andere Erfolgsstorys wie die von "Kohls Mädchen", aber auch Pleiten wie der "Aufstieg und Fall des Jan Ulrich" folgen. Unkommentiert lässt der Autor Aufnahmen von Neo Rauch im Naumburger Dom, oder vom "Leipziger Helden" Kurt Masur, der sein Abschiedskonzert dirigiert.


Matthias Biskupek: Das Glück des richtigen Geldes und weitere Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten seit der Wende. Sutton-Verlag, Erfurt, 128 S. mit zahlr., zum Teil doppelseit. Abb., 24.90 Euro