Amüsante innerdeutsche Lebenskunde

Der Rudolstädter Autor Matthias Biskupek "schlagbelichtete" ostdeutsche Nachwendejahre
Von Heinz Escher

Die gute Nachricht zwischen zwei Buchdeckeln lautet: Mit dem Abstand der Jahre wird die Aufbereitung jüngerer deutscher Zeitgeschichte immer unverkrampfter. Vorausgesetzt, die Autoren kennen sich aus und haben nichts am Hut mit den Klischee-Drehbüchern fürs Event-Fernsehen. Die jüngst vorliegende Lektüre vom "Glück des richtigen Geldes - und weitere Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten seit der Wende" hat was von heilsamer Reprise und einer amüsanten Lesestunde obendrein.
DER AUTOR. Ein Rudolstädter Landsmann namens Biskupek, Matthias. Der Mann war schon immer ein bodenständiger schöngeistiger Regional-Aufklärer und als solcher laufend unter uns. Lesend, eulenspiegelnd, zeitlose "Wetterberichte" und Streifzüge durch den Thüringer Kräutergarten kolportierend, "Böhmische Dörfer in Deutsch und Geschichte" erläuternd, per Roman der etwas absonderlichen Art das einheimische Ex-Theater(un)wesen durchleuchtend ("Moralische Anstalt") - kurz und gut, die zeitgenössische, nicht selten auch hintersinnig-unterhaltsame Miniatur-Literatur ist dank seiner Präsenz um etliche Fußnoten reicher geworden. Und jetzt das: Vom "Glück des richtigen Geldes" in DIN A4 plus x. Man könnte meinen, der Biskupek hätte sich im Format geirrt. Scheint aber nur so. DAS BUCH. Die eigentliche Überraschung ist die gelungene Kombination von aussagestarken, sorgfältig ausgewählten, den entscheidenden Moment erfassenden, oft ganz- oder doppelseitigen Bildern ("picture alliance") mit 21 Kurzgeschichten übers mühsame Zusammenwachsen zwischen "89 und 2009. Nicht immer lässt sich so trefflich auch neben den Zeilen lesen wie dazwischen. Von Glücks- und Raubrittern, Chancen und Katastrophen, Erfolgsgeschichten und Investruinen. Vom launischen Monolog des verintegrierten Bürgers Ost mit der "sehr geehrten Deutschen Westmark". Übers "Mühlfenzln" im TV-Revier und die fichelante Olympiabewerbung der Leipz'scher Sachsen samt Cello fidelnden Damals-noch-OB Tiefensee. Schließlich "Kohls Mädchen" und ihr unaufhaltsamer Aufstieg zur "weltweit ersten Bundeskanzlerin". - Nicht alle Biskupekschen Pointen zünden. Und nicht jedes seiner eigenwillig fokussierten Schlaglichter leuchtet Raum und Zeit gehörig aus. Macht aber nichts. Wir Hiesigen sind nicht unvorbereitet in des Autoren Fangarme geraten. Und daher einiges gewohnt an ausgefallenen Dates mit hausgemachter Zeitgeschichte, an Wortwitz und Gedankenschläue sowie anderweitiger profunder Lebenskunde.
DIE MORAL. Objektivität im Umgang mit der eigenen Geschichte verträgt weder Halbwahrheiten noch ferngesteuerte Schlaumeierei. "Die DDR wird oft als monolithisches Ding gesehen", schreibt Biskupek über das "manchmal komische und manchmal tragikomische Ende des zweiten deutschen Staates". Um sogleich erklärend anzufügen: Wie diese DDR sich von innen anfühlte, stünde heute in Romanen der 60er und 80er "klarer und genauer als in jenen Aufarbeitungsschriften, die behördlichen Geheimakten mehr vertrauen als Zeitzeugen, privaten Tagebüchern und intelligenten DEFA-Filmen." Der geneigte Leser sieht den Lauf der Dinge ohnehin nach eigenem Gutdünken. Ein Blick in dieses Buch wird dennoch nicht zu seinem Schaden sein.


Matthias Biskupek: Das Glück des richtigen Geldes und weitere Schlaglichter aus zwei Jahrzehnten seit der Wende. Sutton-Verlag, Erfurt, 128 S. mit zahlr., zum Teil doppelseit. Abb., 24.90 Euro