Matthias Biskupek
Gelzenbein Beckenbauru

Zunächst müssen wir über russische Grammatik reden. So gibt es im Sprachgebäude der Russen vollendete und unvollendete Partizipien, sechs Fälle, eine doppelte Verneinung, die keine Bejahung, sondern eine Bekräftigung ist und allüberall Verniedlichungsformen.
Nitschewo nje heißt keinesfalls niemals nicht und wenn ein russischer Chwastun davon redet, daß er das Täubchen sein Messerchen werde spüren lassen, so kann dies nur in Ausnahmefällen als erotische Witzelei verstanden werden.
    Zum Grundverständnis russischer Grammatik, also sowjetischer Sprachregulierung, gehört zudem, daß die Präposition K den vierten Fall verlangt, der im Männlichen durch ein angehängtes U kenntlich wird. K wiederum kann man zwar als sowohl zu wie auch als auf verdeutschen, aber immer nur zielend, was wir mit transitiv übersetzen ... Sie kommen nicht mehr mit? Kein russisches Wunder! Einfach & logisch kommen wir nie weiter.
    Damals aber wollten wir weiterkommen. Vorwärts, immer nur vorwärts. Damals, als der Kampf zwischen sowjetischen Mondrobotern und amerikanischen Astronauten tobte und die Welt uns, weil wir jung waren, offen stand, wenn auch nicht räumlich gesehen.
Unser Leben war sehr sicher eingegrenzt zwischen Orten wie Eisenach, Ettersberg, Görlitz, Greifswald, Pankow, Sachsenhausen und Wismar. Und wenn wir dieses Vieleck verließen, geschah dies in östlicher Richtung, über eine Eisenbahnlinie, die via Brest und großspurigeres - oder sagen wir: breitspuriges - Bahnwesen die Freundschaftszüge bis ins weite, ferne Land der Bjelorussen und Ukrainer, der Russen und Tataren, der Natschalniks und Rabotschis, der Freunde, Brüder und Kampfgefährten beförderte. Wir jungen Bürger praktizierten germano-sowjetskaja Drushba. Drushba - Freundschaft! Drushba - Freundschaft! hieß unser Schlachtruf. Wir saßen, schliefen und aßen zunächst in rollenden Freundschaftswaggons. Mit dem Grenzübertritt und ausführlicher prowerka passportow waren wir mittendrin im Sowjetlande, in unserer heroischen sozialistischen Geschichte und dem Sommer des Jahres 1974. Der erste Spielzug hatte begonnen.
    Wir landeten mit dem touristischen Freundschaftszug in Odessa, einem Schwarzmeerort, in dem man überall nur russisch sprach, wiewohl es zur Ukraine gehörte. Ja doch, der Nachhilfeunterricht für Euch muß sein, liebe Freunde, die Ihr damals bestenfalls Paris, Kalifornien oder Bilbao kanntet. Wir kannten Bilbao damals natürlich auch. Von einem Brecht-Song. Brecht, Bertolt, geboren 1898 in Augsburg, das ist in Bayern, gelle?, war jener Theaterdichter, der, boykottiert vom Adenauer-Regime, in den Fünfzigern und Sechzigern, von den BBU's, den Bösen Bonner Ultras - - - das wollt Ihr nicht hören? Erzählen wir weiter von den heroischen Siebzigern im heroischen Sowjetland.
    In Odessa brannte eine heiße Sommersonne - Solnze swjetit, auf russisch, liebe unkundige Freunde - auf uns herab und auf jene Schiffe, die im Hafen lagen. Die Schiffe kamen zum Beispiel aus Kalifornien. Ja, so kam damals Kalifornien zu uns. Wir mußten eigentlich nirgendwo hinfahren. Die kalifornischen Seebären waren echte Amerikaner, und wir erprobten unser Englisch an ihnen. Have a nice day, näselten die Seebären, deren Schiff nicht auslaufen konnte und die nun im selben Hotel wie wir kampierten. Wir allerdings hießen Freundschaftstouristen, und die amerikanischen Seebären waren friedliche, koexistente Handelspartner, deren Handel im Augenblick etwas stockte. Es fehlten Ladepapiere oder Ausladekapazitäten, denn die Bürokratie war gewaltig im gewaltigen Sowjetland. Die Seeleute brachten ihre Wartezeit mit eigenem Whisky zu, zu dem sie uns einluden. Sie sprachen: This is nice! All over this country is Lennon! Wir dachten, es handle sich um ein Mißverständnis: John Lennon - ein Countrysänger? Wir verehrten ihn damals heftig, aber die Amerikaner zeigten auf die riesenhaften Denkmäler, Fotos und Plakate in der Stadt. Thats Your Lennin, quietschten sie freudig heraus, und wir erläuterten, daß Lenin ein großer Sohn des russischen Volkes sei, unsere Söhne aber Karl Marx und Friedrich Engels heißen.
    Die größten Söhne Eures Volkes heißen jetzt Thats Maier und Fuck Heynckes, behaupteten die Amerikaner, mit denen wir uns fast allabendlich trafen, in ihren oder unseren Hotelzimmern, nachdem wir tagsüber sehr lange den sehr langen Schwarzmeerstrand und sehr kurz die allgegenwärtigen Lenin-Gedenkstätten besichtigt hatten. Oh no, erklärten wir, our figther Pommerenke and Kurbjuweit, Bransch and Ducke. Ey crazy, riefen die, Ihr Germans seid immer Double-Germans. Euch genügt nicht ein Hitler, Ihr seid immer konsequent, it must be a doppelter Überhitler. Dazu grinsten die Amerikaner damit wir begriffen, daß Deutsche endlich lernen sollten, Spaß zu verstehen. Damals waren wir noch silly, oder, um es in der Odessaer Landessprache zu sagen, jeder einzelne von uns war ein nastojaschtschij Djurak, denn wir hatten es einfach nicht gelernt, über Double-Fuck-Hitler zu lachen.
    Natürlich waren es nicht DIE AMERIKANER, mit denen wir solche tiefgründigen Gespräche pflegen konnten; eigentlich waren es nur zwei, und nur einer davon, den wir Jim Bean nannten, kannte sich ein bißchen mit Fußball, Sepp Maier und Jupp Heynckes aus, der andere verstand nicht die Bohne davon, obwohl er nicht Jim Bean hieß. Unsere russischen Freunde, die wir längst in Odessa gewonnen hatten - denn nicht umsonst waren wir auf Freundschaftszugreise - kannten sich hingegen hervorragend im Fußball aus und wußten, daß die befreundeten Deutschen auch großartige Schwimmer, überragende Nordisch Kombinierte und führende Leichtathleten waren und fast so gute Turner wie die Sowjetsportler. Die unbefreundeten Deutschen, also Ihr, denen wir das alles hier und heute haarklein erklären müssen, wie damals die Weltgeschichte lief, als wir den Ball noch lange nicht abgegeben hatten, sondern vorwärts stürmten - Ihr hattet bloß eine mickrige Hochspringerin und überhaupt keine Schwimmer und lediglich bissel olympisches Reitergold und vielleicht mal 1 Stck. Zehnkämpfer. Unsere befreundeten Sowjetmenschen und wir, wir hätten Euch doch alle Ränge abgelaufen, selbst wenn internationale Meisterschaften in der besonderen politischen Einheit Westberlin stattgefunden hätten. Vielleicht muß an dieser Stelle für ganz Hartleibige, also auf westdeutschen Töpfchen Erzogene, erklärt werden, wie es sich einst mit dem Sport und der Überzeugung und den Sympathien und den Großen und den Kleinen verhielt. Wir wohnten, wie gesagt, in einem winzigen Land, in besagtem Vieleck zwischen Eisenach, Ettersberg, Görlitz, Greifswald, Pankow, Sachsenhausen und Wismar. Deshalb waren wir auch solidarisch mit den Kleinen, also zum Beispiel im Eishockey. Spielte Kanada gegen die Westdeutschen, - also da waren wir natürlich für Euch. Weil Kanada Eishockeygroßmacht war und Ihr noch viel schlechter spieltet als wir. Ebenso einfach verhielt es sich, wenn die sowjetischen Scheibu-Sportsmjeni - so heißen Eishockey-Ritter im Russischen; manchen Leuten muß man ja alles erklären - gegen die Tschechen spielten, die damals Tschechoslowaken hießen. Da waren wir ganz klar für die Schwejks, das hatte mit dem Größenverhältnis zu tun. Auch wenn heutige Sympathiewissenschaftler solches mit Prag *68 erklären möchten. Schwieriger wird es jetzt, wenn, sagen wir mal die Finnen gegen Kanada spielten. Wir hätten da für die Kleinen sein müssen, das war in diesem Fall Finnland. Aber weil wir uns unter den großen Acht um den ersten Platz der kleinen Vier mit den Finnen stritten, waren wir natürlich dafür, daß die Kanadier gewannen. Taktik, Freunde! Wir als Größte der kleinen Vier! Die Finnen waren als Land zwar klein, aber als Eishockeymacht groß, und wenn wir damals nicht auch im Sport hätten sparen müssen, denn für eine olympische Medaille braucht man im Eishockey zwanzig Mann und eine ganze Oberliga von Weißwasser bis Dynamo, hätten wir dauerhaft den ersten Platz der kleinen Vier belegt. So wurden wir schließlich fast noch schlechter als Eure damals schon unter aller Kanone spielenden Westdeutschen. Für die Russen hingegen war Eishockey das Größte als Mannschaftssportart, die Begeisterung reichte bis ins südliche, frostunsichere Odessa. Aber ich schweife ab. Wir zoomen uns wieder in die Vergangenheit, an den Schwarzmeerstrand, wo solnze swjetit, also wo es verdammt heiß war. Solnze swjetit! Merkt Euch das, solnze swjetit, vielleicht braucht Ihr das mal in Euerm sonnigen Leben. Wir saßen also mit unseren amerikanischen und sowjetischen Freunden zusammen und tranken alle mächtig Whisky.
    Die Sowjetfreunde verstanden kein Englisch; Deutsch nur in jiddischen Redensarten, weil sie Odessaer Russen waren. Die Amerikaner verstanden sowieso nur die language of money. Aber wir, wir hatten gleich zwei Trümpfe in der Hand. Wir konnten sagen Anton leschit na Tamarje i djelajet Djeti worüber die Russen schmunzelten, während die Amerikaner nur so blöd glotzten wie Ihr heute. Ein paar Lern-Vokabeln wollen wir an dieser Stelle verraten: leschit heißt liegt, djelajet macht und djeti Kinder. Wenn die einen sagten dshob twoju match so konnten wir den anderen übersetzen motherfucker und beide Großmächte staunten, wie weltläufig wir aus dem kleinen Land doch waren.
Bis hierher ist aber alles noch immer Mittelfeldgeplänkel. Denn die sowjetischen Zeitungen waren zwar voller großer Losungen, Leninbilder und Aneinanderreihungen von erfolgreichen, ruhmbedeckten und kämpferischen Ernteschlachtschilderungen, aber im Unterschied zu amerikanischen Zeitungen brachten sie auch Weltsportereignisse. Und so lasen wir überaus langsam dann in der Prawda mit roten Ohren von den Spielzügen eines gewissen Gelzenbein. Hah! schrien wir, da muß es sich um Hölzenbein handeln, und die Amerikaner wußten natürlich weder mit Gelzenbein noch mit Hölzenbein etwas anzufangen, für die war bei Sepp Maier Ende der Fahnenstange. Sie starrten in die kyrillische Buchstabenwüste. Im Unterschied zu Euch, liebe Landsleute, verstanden die Jim Beans nix von Fußballregeln und lachten deshalb immer nur, wenn wir mit den sowjetischen Freunden die Abseitsfalle und das sliding-tackling diskutierten. Slicktinck-Tacklinck, sagten die Freunde, so wie sie heute Bissness und Mannatscherr sagen, die jetzt neuen Russen, die schon damals zu gern dabei gewesen wären, was ihnen, als größte sozialistische Friedensmacht der Welt ja auch zugekommen wäre.
    Smotritje, schaut hin, sagten sie und stippten uns auf die Mannschaftsaufstellung in der kyrillischen Buchstabenwüste: Alle sind dabei. Die Jugoslawen und die Argentinier, die Italiener und junge Nationalstaaten, die wir auf unsere Kosten ausbilden, wie die Demokratische Republik Kongo. Und Ihr seid sogar zwei Mal dabei, als befreundete Deutsche - und als richtige Deutsche. Wir zuckten zusammen, aber so waren sie, unsere Odessaer Freunde: geradeheraus und knallhart, von Leninschem Geist und von Stalin, dem Stählernen, geschweißt.
    Und wo, Ihr Täubchen, fragten sie mit einer in Odessa, literarisches Mekka der russischen Literatur, üblichen hintergründigen Selbstironie, wo, Ihr Täubchen, ist die große Sowjetunion? Die dabei ist, den Mond zu erstürmen? Haiti, Polen, Bulgarien - und keine Sowjetunion. Doch dann leuchteten die typisch russischen Augen in ihren typisch russischen Gesichtern und sie setzten erneut an: Und Ihr, Söhnchen, wo seid Ihr? So fragten sie die Amerikaner und wir übersetzten sogleich: Wo befindet sich große US-amerikanische Nation bei Konkurs der Futbolisten?
    Wir spielen Baseball, sagten die und konterten. Wir übertrugen nun deren sanften Vorwurf etwas wortungetreu aus dem Amerikanischen ins Schwarzmeerrussisch, quasi ins Odessische: Keine Lenin-Zeitung bringt zur weltweiten Mitteilung, wie Atlanta Apples gegen große Erfolge habende Sacramento Sunshines in den Sieg verfielen.
    So kämpften die beiden größten Mond- und Kosmos-Erforschungsnationen der Welt auf unserem gekrümmten Sprachrücken miteinander. Es wäre wohl noch ewig so weiter gegangen, wenn im Hotel-Radio nicht ein Ausschnitt der russischen Reportage vom Kampf der befreundeten mit den richtigen Deutschen im fernen Hamburg zu hören gewesen wäre. Gelzenbein Beckenbauru! - schrie der Reporter und bevor wir in nur wenigen Minuten enträtselt hatten, daß es sich hierbei um einen Spielzug von Hölzenbein auf Beckenbauer gehandelt haben könnte - denn K (zu oder auf) verlangt den vierten Fall, Endung U, wie wir Euch ja schon eingangs erklärt haben - schrie der Reporter Goool!, und während wir noch überlegten, ob dies mit geil übersetzt werden müsse und ob Hölzenbein oder Beckenbauer das Tor geschossen hatte, schlugen uns die Odessaer Freunde auf die Schultern und beglückwünschten uns. Hölzenbein, fiel uns ein, konnte allerdings weder Vorbereiter noch Torschütze sein, denn er spielte bei dieser Begegnung überhaupt nicht mit. Die Amerikaner wollten wissen, was los sei, und wir versuchten den Spielzug ins Amerikanische zu transferieren. Währenddessen überschütteten uns die Odessaer immer heftiger mit Molodzui-Molodzui-Brüllern, was, wie wir wußten, Prachtkerle bedeutete und uns arg bröckeln ließ. Denn daß Westdeutsche Prachtkerle sein sollten, wo wir doch die den Sowjetbrüdern am befreundetsten Deutschen waren, empfanden wir als unfair.
    Bis der Molodjez aus Odessa uns erklärt hatte, daß einer unserer Spieler ein Tor geschossen hatte, dauerte es eine Weile, also Minutotschku. Wir versuchten, den Namen Sparwasser ins Russische zu übersetzen. Aus Sparwasser machten wir wenig Wasser, und das war nahe am Wodka, was bekanntlich Wässerchen heißt, woraus nun wieder die amerikanischen Freunde schlossen, daß the east-german named Whisky soeben zwischen die goalposts getroffen hatte und dafür wohl drei oder sechs points eingeheimst hatte.
Wir sollten, beharrten nun unsere amerikanischen Freunde, jetzt nimmermehr am Wässerchen sparen. Wir stießen auf den großen deutschen Fußballer Whisky an. Die Sowjetfreunde waren überglücklich, daß wir gegen den Kapitalismus gewonnen hatten und wir waren froh, weil wir gegen uns den Sieg errungen hatten.
    Aus, aus, aus, das Spiel ist aus, schrie niemand von uns, obwohl das Metch nach all den langwierigen Übersetzungs- und Erklärungsversuchen längst aus war. Wir hatten gewonnen. Durch den Genossen Wässerchen. Irgendwann war auch die Weltmeisterschaft gelaufen, und wieder hatten wir gewonnen, obwohl unsere längst raus, raus, raus waren. Dennoch waren wir Weltmeister; nie mehr später würden wir den doppelten Einsatz haben können, wie in den herrlichen Siebzigern bei allen Welt- und Europameisterschaften. Wo allen anderen Nationen in Einzelwettkämpfen nur mehr drei Starter zugestanden worden waren, konnten wir sechs ins Rennen schicken. Klar, daß die ebenfalls bedeutenden Sporttreibenden dieser Epoche, die US-Boys und die SU-Drugi, immer ein bißchen neidisch waren.
    Wir Deutschen hatten in dieser herrlichen Freundeszeit zwar ein schwieriges Sprachsystem mit unseren unklaren Zeit- und Möglichkeitsformen, aber immer drei Chancen mehr, als die anderen. Die Russen hatten eine vertrackte Grammatik, aber die schönsten Verkleinerungsformen, und die Amerikaner hatten mit ihrem Whisky und ihrer unkomplizierten Art, einfach alles und jedes in ihr Englisch zu quetschen, sämtliche Sympathien auf ihrer Seite.
    Das kalifornische Schiff mit den amerikanischen Seebären war inzwischen doch entladen worden, und wir verabschiedeten uns mit Strömen von Sparwasser, wie russische und amerikanische Freunde jetzt gleichlautend Alkohol nannten. Statt Gelzenbein-Beckenbauru! jubelten unsere Odessaer Freunde Drushba-Freundschaft! Drushba-Freundschaft! Denn das war der Spielzug der Epoche und die Amerikaner, die immer gern alles mitmachen, was zum Lachen ist und überhaupt keine Nation von Individualisten sind, wie man uns im Politunterricht weismachen wollte, jubelten doppelt und vierfach wie beim Überhitler: Friendship-Friendship, Friendship-Friendship. Nichts wurde während unserer Abschiedsparty doppelt verneint und die Niedlichkeitsformen feierten fröhliche Urständ. Wir versuchten erst gar nicht, eine solche deutsche Eigentümlichkeit wie fröhliche Urständ ins Amerikanische oder gar in die sowjetische Grammatik zu übersetzen. Wir tranken längst Sparwässerchen auf Sparwässerchen, denn auch die größten Whisky-Vorräte der Erde gehen irgendwann einmal zu Ende. Das hätte den Amerikanern eigentlich schon damals eine Lehre sein müssen, aber sie wußten ja noch nicht, welches neue Jahrtausend ihnen bevorstand. Die Russen wußten, daß es ihnen nie gut gehen werde, weshalb sie sich im Moment großartig, also sauwohl fühlten, was sie mit Charascho sidim ausdrückten. Das heißt nix anderes als: Gut sitzen wir - aber was es wirklich heißt, werden weder Ihr noch wir je erahnen können. Damals saßen wir einfach gut, dort in Odessa, das einstmals nicht nur ein russisches, sondern auch eine intellektuelles und jüdisches Mekka gewesen war, alles ein Widerspruch in sich, wie doppelte Verneinung und unablässige Verniedlichung.
    Charascho sidim: Wir saßen zwischen den beiden heroischen Weltraumeroberernationen, denn wir hatten den grünen Rasen gewonnen, aber nicht am grünen Tisch, sondern mit sliding-tackling und dem alle verblüffenden Spielzug Gelzenbein-Beckenbauru.
                                                                                                                        Februar 2004