Rudolstädter Heimathefte Nr.5/6 2008
*Faber & Faber Verlag GmbH ohne Ort (Oberweißbach), **ohne Jahr (2007), 144 S., ISBN 978-3-86730-040-7 *

Nachdem das 1989 erschienene dickleibige Buch Otto Ludwigs ..Im Thüringer Kräutergarten - von Heilkräutern. Hexen und Buckelapothekern" längst vergriffen ist. kann man auch Anja Werlichs Schrift "Buckelapotheker in Thüringen" aus den- Jahre 1995 im Buchhandel kaum noch erhalten. Deshalb wendet sich Matthias Biskupek erneut diesem Thema zu, um den Touristen, die den Thüringer Kräutergarten – also das Gebiet zwischen Bad Blankenburg, Königsee, Großbreitenbach und Schmiedefeld – besuchen, eine kurzweilige Beschreibung dieses Landstriches zu bieten. Im Mittelpunkt steht dabei das in dieser Region einst beheimatete Olitätenwesen, d. h. die vorindustrielle Medikamentenproduktion.
In insgesamt 31 Kurzgeschichten beschreibt Biskupek ehemalige und noch jetzt bestehende pharmazeutische Unternehmen. Er streut dabei viele biographische Angaben ein, nicht nur zu Personen, die direkt mit solchen Firmen zu tun hatten und haben, wie Mylius. Richter. Siegmund, Kümmerling oder Wutzig, sondern auch zu bedeutenden Persönlichkeiten, die im "Thüringer Kräutergarten" wirkten oder über ihn schrieben. Man erfährt beispielsweise auch etwas über Friedrich Fröbel, Otto Ludwig, Inge von Wangenheim, Karl Dietz, Wilhelm Lehmann oder Wilhelm Hotz.
Man wundert sich allerdings, dass auf Meura nicht eingegangen wird. Stattdessen behandelt eine Geschichte den Pfefferminzanbau rings um Kölleda. Auch zwei weitere Kurzgeschichten mit dem Titel "Die falsche Katze" und ,,Das Hanghuhn im Faulbaum" haben mit dem Thema wenig zu tun. Darüber hinaus stellt der Autor fest, dass er nicht alles punktgenau erläutern will. Das trifft in mehrfacher Hinsicht auch zu: so z. B. hinsichtlich der lateinischen Pflanzennamen, die einmal in Großbuchstaben, ein andermal kursiv und mit oder ohne Entdeckernamen geschrieben werden; so auch hinsichtlich einiger merkwürdiger Ausdrücke wie klassizistisch-neugotische Kirche (S.69), erster europäischer Weltkrieg (S. 12) oder SFK Technik-Center (S. 86). Andere Ausdrücke wie kleinstproduzierend, holzverschachtelt, backsteinern oder holzbalkengestutzt mag man als dichterische Freiheit des Autors betrachten ebenso wie die Benutzung von Hauptsätzen ohne Prädikat. Hier nur ein Beispiel für viele: Friedlich ist dieser Herbst. An einem Donnerstag. In Oberweißbach. (S. 47). Einige andere Aussagen sind regelrecht falsch. Königsee liegt nämlich nicht hier oben auf dem Thüringer Wald (S. 71), auch nicht ein Dutzend Meilen von Rudolstadt entfernt und schon gar nicht im Muschelkalkgebiet (S. 69). Glaskuppeln im Saale-Maxx hat der Rezensent noch nicht gesehen (S. 69) und sehr in der Ferne rauscht die Schwarza in Oberweißbach noch nie hören können. Was die Dialektpassagen betrifft, ist nicht alles einheimische Mundart. Nichde gabs (S. 102) und ders ni volkseichen sagt hier keiner. Ni sagen nur die Dresdener und Lausitzer.
Am meisten haben aber einige dumme Sprüche zu einer sehr kritischen Durchsicht von Biskupeks jüngstem Buch Anlass gegeben. Da heißt es auf Seite 33: Die Märkische Schweiz ist so kleingeistig wie die echte Schweiz und die sächsische Schweiz besteht eigentlich nur aus künstlich verputzten und mit vielen Haken versehenen Kletterfelsen. In der Geschichte "Die Bad Blankenburger Biertafelwanderung", einem Zeitungsartikel aus dem Jahre 1993, der hier erneut veröffentlicht wird, werden zwielichtige Wertungen über verschiedene Biersorten gemacht. Man lese selber nach. Wir haben es als Thüringer gewiss nicht nötig, mit solchen Sprüchen auf uns aufmerksam zu machen.
Es ist auch etwas befremdlich, wenn es heißt, dass der Rennsteig schon 1989 in voller Länge wieder begehbar war (S. 32, die Minen waren erst noch wegzuräumen) oder wenn er in Bezug auf die Gründung des Deutschen Reiches 1871 (es bestand immerhin aus föderalen Staaten) liest: der heutige Föderalismus hätte damals als bildungs- und wirtschaftsfeindlich gegolten (S. 50). Und wenn man auf Seite 42 liest Wir waren längst inmitten der guten fünfziger Jahre, im tiefsten Frieden, im Aufbau, im unaufhaltsamen Fortschritt angekommen, dann kommen einem doch der 17 Juni 1953, der Koreakrieg (Waffenstillstand seit 27.7.1953), der Ungarnaufstand und die Invasion in Ägypten (beide 1956) in den Sinn. Diese Ereignisse haben den Rezensenten damals sehr bewegt, aber der Autor konnte sie offenbar noch nicht bewusst erleben.
Doch zurück zum Positiven. Neben der Aktualität des Buches ist es vor allem die Illustration. 35 überwiegend farbige Bilder (nur das auf Seite 125 ist etwas unscharf) machen Lust auf den Text. Allerdings taucht das Bild von Seite 62 nochmals auf: nämlich auf dem rückseitigen Buchdeckel und zwar seitenverkehrt. Damit wären wir bei den Dingen, die der Verlag zu verantworten hat. Eine Geschichte, nämlich die mit dem Titel "Das Bärbele, das Frauenkraut und der Reimer-Dittrich", die im Inhaltsverzeichnis fehlt, ist in die Geschichte "Vom Liebeswurz" eingebettet. Wer letztere bis Seite 16 liest, muss suchen, um auf Seite 20 die Fortsetzung zu finden. Auch einige Druckfehler hätten ausgemerzt werden können. Vor allem aber ist es ein Mangel, dass ein Verzeichnis der Literatur, auf der selbstredend auch Matthias Biskupek aufbaut, völlig fehlt. Dies sei nicht deshalb erwähnt, weil somit auch alle Arbeiten über das Olitätenwesen, die in den Rudolstädter Heimatheften veröffentlicht wurden, ungenannt bleiben, sondern weil ein Schriftenverzeichnis vom Autor – wie er selbst schreibt – gar nicht in Betracht gezogen wurde.
Stattdessen lässt sich Matthias Biskupek über Heimatkundler in folgenden Worten aus: Drum gibt es jetzt die Oberpächter der Heimat, die jedem Zuwanderer misstrauen. Die den Fremdling als Wilderer ansehen: Wir stoßen unsre Heppen selber, wie es im thüringischen Dorf heißt. Die Oberpächter können jedes Haar spalten und jeden Krümel noch besser ausdrücken, will sagen: aus sich heraus drücken. [sic!] Ihnen fehlt immer die Hälfte und von der wieder die Hälfte und so fort, bis eine weiträumige Heimat in der Kleinlichkeit versackt.
Selbst auf die Gefahr hin, nun auch zu den eben zitierten Korinthenkackern gezählt zu werden, kann man schon von einem (Heimat?)schriftsteller etwas mehr Exaktheit erwarten. Doch möge sich jeder Leser selbst ein Bild davonmachen, denn interessant ist das Buch allemal.

Peter Lange