Mensch mit Knopf


Franfurter Rundschau / Spalter
Mensch mit Knopf
Von Matthias Biskupek

Unsere Politiker sagen mir jetzt fast täglich, dass ich mich klimagerecht verhalten möge. Sie gehen mir mit gutem Beispiel voran und fahren Autos mit UV-Filtern und einer stets funktionierenden Klimaautomatik. Sie begeben sich mit Hochgeschwindigkeit an die Brennpunkte aller Klimakatastrophen und wohnen dort in Hotels, in denen man die Handtücher umweltschonend auf den Boden legt. Nach solchen Vorbildern muss ich endlich ganz persönlich an meinem eigenen Umweltgiftausstoß arbeiten. Die Rinder sagen ja bereits auf aller Welt Muh und Amen und versuchen, das Wiederkäuen umweltschonend zu gestalten. Als Mensch bin ich bekanntlich nur dann ein Wiederkäuer, wenn ich einer politischen Partei angehöre, deren Parteiprogramm ich wieder und wieder in den Mund nehme. Als biologisches Wesen hingegen muss ich daran arbeiten, das Einnahmeverhalten (Essen und Trinken) und das Ausgabeverhalten (persönl. Abwässer und Ablüfte) in ein immer umweltgerechteres Verhältnis zu bringen. Jeder Bürger weiß, daß Ammoniakverbindungen als flüchtige Stoffwechselendprodukte das Klima schädigen. Damit ist auch ganz konkret das Klima in Ballungszentren, wie sie Nahverkehrsmittel oder Konferenzräume darstellen, gemeint. Die dicke Luft dort könnten wir alle gesünder gestalten, wenn wir uns ein wenig umweltgerechter verhielten: Keine Zwiebeln und Porree, keine Hülsenfrüchte welcher Art auch immer. Der Mensch beherrscht die Natur, indem er zunächst seine Natur beherrscht. Viel schlimmer aber und noch mehr den Energiesparplänen unserer Politiker zuwiderlaufend ist unser anhaltender Standby-Modus. Wir gehen durch die Welt, immer reaktionsbereit, ständig Reize verarbeitend, in geringster Zeitspanne von Null auf Hundert kommend. Ist das klimabewusst? Ist das umweltgerecht? Unsere Herzfunktion ist unablässig aktiviert. Akustische und optische Signale nehmen wir ständig auf, auch wenn es nach uralten indischen Weisheiten besser ist, lieber nichts zu sehen und zu hören. Als Mensch bin ich – und das ist das Widernatürliche an unserer Konstruktion - auch im Schlaf Standby. Wissenschaftler haben jetzt das herausgefunden, was ich schon immer befürchte: Wir träumen! Unser Gehirn arbeitet die halbe Nacht. Männer nutzen ja nur den Schwarzweißtraum, Frauen aber die viel teureren Farbträume! Was für ein Energieverbrauch! Die Hirnströme! Es ist doch wahrlich nicht zu viel verlangt, den Abschaltknopf zu drücken, wenn wir schlafen. Jede Heimelektronik hat einen Ausschaltknopf. Bei den besseren dieser Geräte wird über einen Standby-Modus garantiert, dass der Standby-Modus ausgeschaltet ist, wenn er nicht benötigt wird. Wieso müssen wir überhaupt immer auf Habacht stehen? Jedes Weckerklingeln bringt uns in Fahrt. Jede neue Zeitungsmeldung – zum Beispiel die Klimaeinsparappelle unserer Politiker – lässt unseren Blutdruck steigen, die Wutflüssigkeit schäumen, bringt unser Gehirn an den Rand seiner Existenz. Darum wäre es im Sinne der Politik gut, wir nutzten endlich unseren Ausschaltknopf. Mensch, werde wesentlich. Endlich zum letzten Mittel gegriffen. Es muß doch auch an uns so einen roten Knopf geben. Ein Gerät, das den Abschaltknopf nicht hat, bekommt überhaupt keine EU-Zulassung mehr. Und wir Menschen? Da muss so ein Knopf doch auch zu finden sein. Irgendwo! Den müssen wir nur einfach drücken, einfach aussch.