SPALTER (Frankfurter Rundschau)
Frauenruheraum


von Matthias Biskupek

Von jetzt ab wird zurückgesehnt! Das ist ein Satz, der kann missverstanden werden, weshalb er hier auch stehenbleibt.
Manches war früher besser, weil manches schön schlecht war. Zum Beispiel, als wir die bis heute vorlauten Dänen im Felde besiegt hatten, vor 142 Jahren. Ich sage nur: Düppeler Schanzen! Da hießen wir nicht BRD sondern KGP. Königreich Preußen. Später gab es die Bekämpfung der Arbeitslosen mittels Autobahnbau. Viele Unterführungen unter einer Führung. Und wie schön schlecht war die Arbeitsmoral, als wir ein paar Jahrzehnte später dauernd Feiertage dienstlich zu begehen hatten? Den Tag des Bergmanns. Den Tag des Chemiearbeiters. Den Tag der Werktätigen der Leicht- und Lebensmittelindustrie.
Das waren noch Tage. Und exakt heute, Leute, hatten wir den Internationalen Frauentag, den 8. März. Jawoll, ich bin beim erbarmungslosen Zurücksehnen in jener Epoche gelandet, als alles wirklich wunderschön schlecht war. Die Frau als solche war keine Mutti mit Muttitag und bekam keine Blumen, sondern ein Blumenangebinde. Aus dem volkseigenen Einzelhandel. Mit Vorbestellung. Wenn wir unsere Beziehungen (i.e. connections) spielen ließen.
Wir Männer wussten, was wir an unseren werktätigen Frauen hatten und kredenzten ihnen im Betrieb Kaffee und Kuchen. Wir Männer waren Betriebsleiter und Abteilungsleiter und Brigadiere und Vorgesetzte aber immer gleichberechtigte Arbeitskollegen. Einmal im Jahr trugen wir die Frauen nur deshalb nicht auf Händen, weil wir alle Hände voll zu tun hatten, anregende Getränke heranzuschaffen, mit denen die Frauen dann auf das immer höhere Lebens- und Weltniveau versetzt wurden. Nikolaschka. Grüne Wiese. Kiwi, was keine Frucht, sondern eine Emulsion war. (Wir hatten auch erstklassigen Chemieunterricht an der Zehnklassigen Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule). Eine Emulsion aus Kirschlikör und Whisky. Und schließlich Herrengedeck! Was haben wir damals nicht unseren Frauen für Massen an Herrengedeck serviert: 1 Sekt 1 Pils, 1 Sekt 1 Pils, 1 Seckt sswei Pilllls, siem Sexpllllse für allallalle. Die Frauen johlten, wenn wir ihnen irgendwann als männliche Fremdkörper aufstießen. Sie kniffen uns in die Hintern und wir bekamen züchtig rote Köpfe.
Und wenn unsere werktätigen Frauen bis weit nach Schichtschluss im Betrieb ausgeharrt hatten, und Überstunden schoben, mit all den sozialistischen Feiertagsgetränken aus den Geheimfächern der Direktoren und Abteilungsleiter und Brigadiere, dann wurde auch mal der Frauenruheraum gebraucht. Den gab es nämlich in sämtlichen Betrieben, damit die Frauen sich in aller Ruhe, geschützt vor Männern, zurückziehen konnten. Frauenruheraum war Gesetz und deshalb mußte er eingerichtet werden: Mit Liege und Schrankwand und Sanseveria – ein knallhartes Grüngewächs, das man heute überhaupt nicht mehr kennt.
Doch am Frauentag mussten alle Werktätigen den Frauenruheraum kennenlernen. Es blieb uns paar Männeken nichts anderes übrig, wenn die Frauen immer ausgelassener wurden und den Frauenruheraum zur Frauenbewegungskammer umfunktionierten. Und wir immer mittenmang. Wenn wir Ostmänner bis heute manchmal noch ungezogen und chauvinistisch und sexistisch sind, so liegt das sowieso nur an diesem Frauentag und seiner Frauenbewegungskammer. In der es wunderschön schlecht zuging. Wonach wir uns knallhart zurücksehnen.