Leserbrief von Michael Eichmann aus dem Umfeld der Neuen Frankfurter Schule

Sehr geehrter Herr Biskupek,

Kompliment! "Hartz IV", Ertzgebirge V", "Alppen VI", da muss man erst mal drauf kommen, bzw. "wie kommt der darauf" dachte ich spontan während der Lektüre Ihrer Kolumne‚ Beruf: "Zeitzeuge" in der Frankfurter Rundschau v. 08.09.2004, doch aufgrund Ihrer Biographie wunderte mich auch das bereits nach kurzer überlegung nicht mehr.

Bekanntermaßen entwickelt sich unter einem totalitären Regime in bestimmten Kreisen eine eigene, mit entsprechenden Chiffren versehene Sprache, um gewisse Botschaften an potentielle Rezipienten zu übermitteln, dabei jedoch gleichzeitig die offizielle, vom jeweiligen Regime geduldete Lesart einhaltend. Ohne Zweifel sind Sie durch diese harte Schule gegangen. Offenkundig haben Sie seitdem aber auch nichts mehr hinzugelernt, weshalb Ihre o. g. Kolumne für einen bundesrepublikanischen Leser anno 2004 vom Anfang bis zum bitteren Ende ein an Unerträglichkeit grenzendes Dokument von antiquiertem Zonenhumor darstellt.

Bereits der Aufmacher - "Kellerinterview" - muss ohne Wirkung verpuffen, da es für dieses Idiom in unserem Land keine Entsprechung gibt. Vielleicht war dies bei der Staatssicherheit Ihres ursprünglichen Heimatlandes eine verbreitete und entsprechend bekannte Verhörmethode, hier kann kein Mensch etwas mit diesem Begriff anfangen; will auch keiner wissen, selbst wenn es so war. Der von Ihnen konstruierte Kontext zu der medialen Darstellung sog. Zeitzeugen bleibt rätselhaft und in keiner Weise nachvollziehbar.

Und wenn Sie am Ende, quasi als Schlusspointe, eine Multi-Kulti-Identität aus elsässischer Abstammung, französischer Staatsbürgerschaft und bismarckscher Annexion entwerfen, dann mag das abenteuerlich erscheinen und verständlich sein für jemanden, in dessen Heimat ein paar aus Solidarität mit einem sozialistischen Bruderland importierte Vietnamesen (neben Bananen aus Kuba) den Inbegriff der Exotik darstellten, für einen in einer seit über fünf Dekaden weltoffenen Demokratie beheimateten Leser ist die von Ihnen kreierte Figur so schillernd wie ein Stück Brot.

Herr Biskupek, ich bitte Sie, Ihre Veröffentlichungen zukünftig auf das Gebiet der ehemaligen Zone zu beschränken, denn Ihr angestrengtes witzig-sein-Wollen ist für einen beispielsweise mit der Neuen Frankfurter Schule aufgewachsenen Leser eine einzige Zumutung. Inzwischen 'Rübergemachte können sich bei Bedarf ihre Texte ja drüben weiterhin bestellen und zuschicken lassen, das ist ja jetzt möglich.

Sollten Sie dennoch auch weiterhin von Veröffentlichungen in der FR nicht absehen, so behalte ich mir vor, beim Verlag zu intervenieren.

Mit freundlichem Gruß,
M. Eichmann